Veruntreuung von EU-Geldern

Gerichtsurteil besiegelt politische Karriere Le Pens

Fußfessel statt Élysée-Palast: Marine Le Pen vom rechten Rassemblement National ist wegen Veruntreuung verurteilt worden. Bei der französischen Präsidentschaftswahl 2027 darf sie damit nicht mehr kandidieren.

Gerichtsurteil besiegelt politische Karriere Le Pens

Le Pens zerbrochene Präsidentschaftsträume

wü Paris
Von Gesche Wüpper, Paris

Die Gesichtszüge versteinert, die Lippen aufeinander gepresst: Die Anspannung war Marine Le Pen an diesem Montagmorgen deutlich anzusehen, als sie das Strafgericht in Paris zusammen mit ihren Anwälten betrat. Immerhin gilt der Ausgang des Betrugsprozesses, in dem sie und andere Parteikollegen vom rechtsextremen Rassemblement National (RN) sich hier verantworten mussten, als entscheidend für ihre politische Zukunft – und die Frankreichs. Denn nach der Verurteilung wird die 56-Jährige mit sofortiger Wirkung von allen öffentlichen Ämtern ausgeschlossen, ihr Parlamentsmandat darf sie hingegen wahrscheinlich behalten. Sie darf zudem in den nächsten fünf Jahren bei keiner Wahl antreten. 

Damit wird immer unwahrscheinlicher, dass die Tochter von Jean-Marie Le Pen, des kürzlich verstorbenen Gründers des inzwischen in RN umbenannten Front National, bei den nächsten Präsidentschaftswahlen 2027 ins Rennen zieht. Im Bewusstsein der drohenden Verurteilung Le Pens hatte der RN seit den vorgezogenen Parlamentswahlen versucht, Präsident Emmanuel Macron zum Rücktritt zu drängen, um vorzeitige Präsidentschaftswahlen zu erzwingen. Theoretisch bleibt Le Pens Kandidatur 2027 nicht ausgeschlossen, wenn sie in Berufung geht und ein neuer Prozess bereits nächstes Jahr stattfindet, sodass das Urteil vor Beginn der heißen Wahlkampfphase fällt. Das sei aber relativ unwahrscheinlich angesichts des Dossiers und der detaillierten Urteilsbegründung jetzt, urteilen die Rechtsexperten der Tageszeitung „Le Monde“.

Der Schaden beziffert sich auf 4,1 Mill. Euro

Die Vorsitzenden Richter befanden Le Pen und ihre 19 Mitangeklagten – EU-Abgeordnete und parlamentarische Assistenten – in dem Prozess um Scheinbeschäftigung für schuldig, 2004 bis 2016 Gelder der Europäischen Union (EU) veruntreut zu haben, um Mitarbeiter des RN in Frankreich zu bezahlen. Den daraus entstandenen Schaden beziffern sie auf 4,1 Mill. Euro.

Le Pen, die den Parteivorsitz 2021 an Jordan Bardella abgegeben hat, verließ den Gerichtssaal bereits nach der Verkündung des allgemeinen Schuldurteils, ohne die Details des Schuldspruchs für sie selbst abzuwarten. Die Juristin, die sich während des Studiums in Paris auf Strafrecht spezialisiert hat, wurde auch zu einer Haftstrafe von vier Jahren, von denen zwei zur Bewährung ausgesetzt sind, und einer Geldstrafe von 100.000 Euro verurteilt. Statt zwei Jahren im Gefängnis kann Le Pen die Haft mit einer elektronischen Fußfessel „absitzen“.

„Mein politischer Tod“

„Es ist mein politischer Tod, der gefordert wird mit vorläufiger Vollstreckung, und das ist, glaube ich, von Anfang an das Ziel dieser Operation“, hatte die Vorsitzende des RN in der Assemblée Nationale auf die Forderung der Anklage reagiert, ihre Unwählbarkeit für politische Ämter vorläufig und sofort vor Rechtskraft des Urteils umzusetzen. Es ist in Frankreich ein durchaus übliches Prozedere.

Es sei die Justiz in Frankreich, die hingerichtet werde, reagierte der RN-Parteivorsitzende Bardella. Die rechtsextreme Partei, die Le Pen in den letzten zwanzig Jahren durch im Vergleich zu ihrem Vater gemäßigtere Töne in Frankreich salonfähig gemacht hat, bezichtigt die Richter, ein politisches Urteil gefällt zu haben und die Demokratie zu leugnen. Beistand erhielt Le Pen, die von französischen Medien „la peine“ in Anspielung auf das französische Wort Strafe betitelt wurde, auch von extremen Gesinnungsgenossen wie dem ungarischen Premierminister Viktor Orbán und dem stellvertretenden italienischen Regierungschef Matteo Salvini.

Der Kreml beklagte einen „Verstoß gegen die demokratischen Normen“. Man wolle sich aber keinesfalls in die französische Innenpolitik einmischen, beteuerte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Le Pen hatte den Präsidentschaftswahlkampf 2017 mithilfe von Krediten russischer Banken bestritten. Bis zur russischen Invasion in der Ukraine hatte sie ihre Bewunderung für den russischen Präsidenten Wladimir Putin gern hervorgehoben.  

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.