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Goldman ringt mit Abgängen weiblicher Führungskräfte

Die US-Investmentbank Goldman Sachs gerät wegen ihres Mangels an Frauen auf der Spitzenebene zunehmend in Erklärungsnot. Mit Stephanie Cohen verabschiedet sich nun die nächste Top-Managerin.

Goldman ringt mit Abgängen weiblicher Führungskräfte

Goldman ringt mit Abgängen weiblicher Führungskräfte

Von Alex Wehnert, New York

Stephanie Cohen zählt spätestens seit 2020 zu den weiblichen Führungskräften an der Wall Street, die das meiste Aufsehen erregen. Die Managerin wird im ersten Corona-Pandemiejahr Co-Leiterin der damaligen Consumer- und Wealth-Management-Sparte von Goldman Sachs. Zum ersten Mal seit Jahren führt damit eine Frau eine Hauptdivision des traditionsreichen Finanzinstituts.

Doch ihr Einfluss schwindet rasanter, als sie ihn gewonnen hat. Nach Milliardenbelastungen beginnt die Bank im Herbst 2022, ihre Consumer-Plattformen zurechtzustutzen, und legt das Wealth Management mit dem Assetmanagement zusammen. Cohen, seit 1999 für Goldman aktiv, wird zur Leiterin der neuen Privatkunden-Einheit Platform Solutions. Doch im Juni 2023 nimmt sich die Managerin aus persönlichen Gründen eine Auszeit, aus der sie nicht zum New Yorker Geldhaus zurückkehren soll.

Top-Ebene bleibt männlich

Wie zu Wochenbeginn bekannt wurde, schließt sich die langjährige Investmentbankerin dem Internetdienstleister Cloudflare als Chief Strategy Officer an. Ihr Wechsel stellt indes nur das jüngste Beispiel für eine Abwanderung weiblicher Führungskräfte bei Goldman dar. Die Bank gerät wegen ihres Mangels an Frauen auf der Top-Ebene zunehmend in Erklärungsnot.

Vorstandschef David Solomon hatte Beförderungen weiblicher Kräfte auf Spitzenpositionen noch bei seinem Amtsantritt im Jahr 2018 zur Priorität erklärt. Bis zuletzt war Cohen eine von zwei Frauen im 25-köpfigen Management Board von Goldman, die einer Unternehmenseinheit mit Erlösbeitrag vorstanden. Die andere, Beth Hammack, hat im Februar nach rund 30 Jahren bei dem Finanzinstitut ihren Rückzug aus dem operativen Geschäft angekündigt und soll künftig in einer beratenden Funktion tätig sein.

Damit verfügt die Bank über keine einzige weibliche Spitzenkraft mehr, die als glaubwürdige Kandidatin für Top-Jobs wie die Rolle des Vorstandschefs gilt. Gegenüber dem „Wall Street Journal“ räumte CEO Solomon zuletzt ein, Goldman habe ihre Ziele bezüglich der Beförderung von Frauen in die höchsten Ränge nicht erreicht. Der längerfristige Erfolg hänge aber „signifikant von der Entwicklung weiblicher Partner in Führungsrollen“ ab.

Managerinnen wie Hammack betonen öffentlich zwar, sie hätten bei Goldman „unglaubliche Gelegenheiten“ erhalten. Allerdings treten sie wohl vor allem deshalb ab, weil sie keine Perspektive auf ihre Wunschjobs sehen – im Fall der Treasury-Expertin handelt es sich um den Posten des Chief Financial Officer.

Die Liste ähnlicher Beispiele ist lang: Susie Scher, seit 2006 Partnerin, wurde 2021 zur Vorsitzenden der globalen Finanzierungseinheit bei Goldman. Was nach einer lukrativen Beförderung klingt, bedeutete das Ende ihrer Ambition auf die Leitung einer großen Konzerndivision. Katie Koch verabschiedete sich nach 20 Jahren im Assetmanagement von Goldman und führt seit dem vergangenen Jahr den Vermögensverwalter TCW. Sovereign-Chefin Dina Powell McCormick schloss sich 2023 der Merchant Bank BDT & MSD als Vize-Vorsitzende an.

Zwar haben die Turbulenzen der vergangenen Jahre Goldman einen allgemeinen Exodus im Management beschert, der sich auf die kleinere Grundgesamtheit an weiblichen Spitzenkräften aber stärker auswirkt. Die Kapitalmarktsparte beispielsweise hat fast all ihre erfahrenen Partnerinnen verloren. Konzernweit fällt der Anteil der Frauen auf Partner-Ebene zwar so hoch aus wie nie, doch können die Männer im Median eine mehr als doppelt so lange Amtszeit vorweisen – was mit höherer Autorität und größeren Beförderungschancen einhergeht.

Konkurrenz steht besser da

Mit einer zu geringen Präsenz von Frauen in Top-Jobs steht Goldman an der Wall Street zwar nicht allein dar. Allerdings hat die Konkurrenz in den vergangenen Jahren größere Fortschritte gemacht: Bei J.P. Morgan gelten die Spartenchefinnen Marianne Lake und Jennifer Piepszak als aussichtsreichste Kandidatinnen für die Nachfolge von CEO Jamie Dimon. An der Spitze von Citigroup steht mit Jane Fraser bereits seit 2021 eine Frau. Und bei Morgan Stanley zählt Finanzchefin Sharon Yeshaya zur obersten Führungsebene.

Goldman verweist indes darauf, den Verantwortungsbereich von Private-Wealth-Co-Chefin Meena Flynn ausgeweitet zu haben – das Geldhaus dürfte laut Beobachtern aber noch harte Arbeit vor sich haben, um den Abwanderungsdrang seiner Partnerinnen zu bremsen.

Mit Stephanie Cohen verabschiedet sich eine der wenigen weiblichen Spitzenkräfte von Goldman Sachs.

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