Von Werner Rüppel, Frankfurt

Solche Geschichten schreibt nur das wahre Leben, erfinden kann sie niemand: Das Mainzer Wissenschaftler-Ehepaar Özlem Türeci und Ugur Sahin hat frühzeitig erkannt, dass das Coronavirus sich weltweit verbreiten wird, und daraufhin mit seiner Firma Biontech vieles riskiert und schließlich den ersten weltweit zugelassenen Impfstoff gegen Covid-19 entwickelt. Kaum jemand hätte damit gerechnet, dass das relativ kleine Unternehmen mit seiner mRNA-Technologie einen derartigen Erfolg erzielen würde. Oder dass mit der beste und wirkungsvollste Impfstoff gegen Corona aus Mainz am Rhein kommt, sprich aus Deutschland und nicht aus Amerika.

Das Buch „Projekt Lightspeed“ ist eine Geschichte über zwei engagierte Mediziner und Wissenschaftler, die mit Leidenschaft an Fortschritten für die Menschheit arbeiten. Es ist auch ein Buch über Unternehmertum und Engagement, über das Arbeiten vieler an einem Impfstoff zum Wohle der Menschheit. Und auch über die Zusammenarbeit von Big Pharma wie Pfizer mit Biontech, die gelungen ist, weil die Protagonisten an einem Strang gezogen haben und weil, wie man so schön sagt, die „Chemie“ zwischen den Beteiligten gestimmt hat. Denn Wissenschaftler sind eben Wissenschaftler und haben einen Ethos.

Für dieses Buch hat der „Financial Times“-Journalist Joe Miller Türeci und ŞSahin seit März 2020 begleitet und erzählt ihre Geschichte von den ersten Stunden des Kampfes gegen Covid-19 bis zur Zulassung des Impfstoffs. Was das Buch auszeichnet, ist, dass auch dargestellt wird, woher die beiden kommen, wie sie aufgewachsen sind, wie sie Mediziner und Wissenschaftler geworden sind, wie sie sich kennengelernt haben und für welche Werte sie stehen. Auch Details über die Familie Türeci/Sahin bis hin zur Mainzer Wohnung, die im Sommer sehr warm wird, oder dass ŞSahin kein Auto fährt, bereichern die Darstellung.

Miller beschreibt, wie die beiden Mitbegründer von Biontech mit einem kleinen internationalen Team von Spezialisten in kürzester Zeit 20 Impfstoff-Kandidaten hergestellt haben, wie sie große Pharmaunternehmen überzeugt haben, ihre Arbeit zu unterstützen, wie sie Verhandlungen mit der EU und der US-Regierung führten und wie es Biontech als kleines Mainzer Unternehmen schaffte, mehr als zwei Milliarden Impfdosen zu produzieren.

Neben ŞSahin und Türeci hat Miller mit über 50 Wissenschaftlern, Politikern und Mitarbeitern von Biontech über diese einmalige und unvergessliche Zeit gesprochen: über ihre Erfahrungen, ihre Herausforderungen und den Erfolg mit dem neuartigen Impfstoff. Das Buch zeigt insbesondere auf, wie die beiden Wissenschaftler auf 30 Jahre Forschung an der neuartigen mRNA-Technologie aufbauen konnten, um einen Ausweg aus der Corona-Pandemie zu finden.

Das Buch wurde nicht allein von Miller geschrieben. Türeci und Sahin fungieren als Co-Autoren und stellen somit nicht zuletzt die Qualität des Werks sicher. „Das Schreiben dieses Buches war ein großartiges und erfüllendes Abenteuer, und Joe ist zu einem Vertrauten und lieben Freund geworden“, schreiben Türeci und Sahin im Nachwort des Buches.

„Jetzt, mit Fertigstellung des Buches, stellen wir fest, dass es uns nicht gelungen ist, die Arbeit all der zahllosen Kollegen, die am Projekt Lightspeed beteiligt waren oder zur Wissenschaft beigetragen haben, auf den wenigen Seiten gebührend wiederzugeben“, räumen die beiden Wissenschaftler bescheiden ein.

Alles ist allem ist „Projekt Lightspeed“ ein großartiges Buch über zwei deutsche Helden, das sich zu lesen mehr als lohnt. Eines ist es aber nicht, und das soll es aber auch nicht sein: leichte Kost. Der Weg zum Impfstoff wird zwar recht eingängig dargelegt, doch sind durchaus manche Fachausdrücke enthalten, die Leser, die mit der Materie überhaupt nicht vertraut sind, sich erst erschließen müssen.

Gleichwohl lesen sich die 352 Seiten ungemein spannend. Lehrreich ist das Buch ohnehin, bezüglich der Vita der Biontech-Gründer, über wissenschaftliches Arbeiten, über Eigenheiten der Biotech- und Pharmaindustrie und über Wissen, Leidenschaft und Engagement. Denn ohne geht es nicht, um solch einen phänomenalen Erfolg zu bewerkstelligen.