In Doppelrolle unterwegs

Haniel-Finanzchef Derksen ist Berufsoptimist

Bei Haniel kam für Henk Derksen alles anders als geplant. Als CFO bestellt, musste er zum Dienstantritt zusätzlich den Interims-CEO geben. Dann schrieb die Familie auch noch eine Eigentümerstrategie. Das gab es bislang nie.

Haniel-Finanzchef Derksen ist Berufsoptimist

Haniel-Finanzchef Derksen ist Berufsoptimist

Von Annette Becker, Düsseldorf

Wie mag es sich anfühlen, einen Arbeitsvertrag zu unterschreiben, dessen Grundlage einen Monat später Makulatur ist? Henk Derksen, der seit Oktober 2023 beim Duisburger Familienunternehmen Haniel den Finanzvorstand gibt, könnte darüber Auskunft geben. Denn als er seinen Dienst antrat, war er plötzlich nicht nur CFO, sondern zugleich Interims-CEO. Von Vorstandschef Thomas Schmidt hatte sich Haniel kurz zuvor getrennt.

Derksen ist jedoch keiner, der Einblick in sein Gefühlsleben gewährt. Im Gespräch lächelt der 55-Jährige Fragen, die er nicht beantworten möchte, auf sympathische Art weg. „Dass ich zum Dienstantritt zusätzlich Aufgaben des CEO übernehme, war so nicht geplant. Es hatte für mich jedoch den Vorteil, dass ich gezwungen war, die Geschäfte und Teams schneller als üblich kennenzulernen“, sagt er.

Klassischer Lebenslauf

Als neuer CFO grenze man den Blick normalerweise zunächst einmal auf den eigenen Bereich ein, bevor man sich tiefer ins operative Geschäft einarbeite. Der Niederländer muss es wissen, entspricht seine Vita doch der klassischen Laufbahn eines Finanzvorstands. Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften in Arnheim startete er seine berufliche Karriere bei PwC und arbeitete anschließend 21 Jahre für Belden, einen US-Anbieter von Datenübertragungslösungen. Bevor er dort 2012 zum CFO aufstieg, arbeitete er in der Finanzabteilung in den verschiedensten Aufgabenbereichen – von Corporate Finance über Treasury bis hin zu Finanzplanung. 2021 wechselte er als Finanzchef zum Technologieunternehmen Viavi in Arizona. Von dort warb ihn Haniel ab.

Zwar war zu dieser Zeit noch keine Rede von einer Eigentümerstrategie, welche die hinter Haniel stehende Sippe erarbeiten wollte. Inzwischen liegt die Strategie jedoch vor. „Der Vorteil ist, dass wir jetzt nicht alle fünf Jahre in eine neue Richtung laufen, sondern eine langfristige Leitplanke haben, an der wir die Strategie im Detail ausrichten“, erläutert Derksen. Manager kämen und gingen, doch die Eigentümer, allen voran in Familienunternehmen, blieben.

Konkret will Haniel neben der Säule aus Direktbeteiligungen eine zweite Säule aufbauen. Streng genommen handelt es sich bei dem sogenannten Multi-Asset-Ansatz um das, was ein Familiy Office macht – das Vermögen breit streuen.

Ziel der neuen Aufstellung ist die Risikodiversifikation.

Henk Derksen

„Ziel der neuen Aufstellung, deren Implementierung fünf bis zehn Jahre in Anspruch nehmen wird, ist die Risikodiversifikation“, erläutert der bodenständige Finanzchef. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass Haniel bei der Weiterentwicklung des bestehenden Beteiligungsportfolios nicht immer ein glückliches Händchen bewiesen hat. Nun also soll eine zweite Säule aufgebaut werden, die dem Risikoausgleich dient. Wichtig dabei: Die Schwächen des Beteiligungsportfolios sollen mit dem Multi-Asset-Ansatz kompensiert werden – insbesondere in geografischer Hinsicht, ist das Beteiligungsportfolio doch zu europalastig.

Zwischen den Zeilen klingt sanfte Kritik am bislang verfolgten Investmentansatz durch. Priorität hat für Derksen, die operative Performance der Direktbeteiligungen zu verbessern. „Haniel hat ein breites Beteiligungsportfolio. Das betrifft nicht nur die Endmärkte, sondern auch den Reifegrad der Geschäfte. Von daher ist es besser, wenn jedes Geschäft einen maßgeschneiderten Ansatz verfolgt“, erklärt der CFO. Daher wird es künftig für die Beteiligungen sogenannte Operating Partner geben, die aktiv in die Steuerung der Beteiligungen eingreifen und den jeweiligen CEOs als Sparringspartner dienen.

Desinvestitionen?

Doch wo soll das Geld für den Aufbau der zweiten Säule kommen? Was läge näher, als Portfoliobeteiligungen zu versilbern und das Geld in die zweite Säule zu investieren? „Als Investor stellen wir uns bei all unseren Beteiligungen regelmäßig die Frage, was wir mit dem Asset erreichen können und ob es womöglich bessere Eigentümer gibt“, wiegelt Derksen die Frage ab. Zur Finanzierung gebe es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: den Cashflow oder Geld aus Desinvestitionen. Erstere Quelle dürfte aufgrund des dürftigen Mittelzuflusses der vergangenen Jahre ausscheiden, zumal die Familie auf eine jährliche Dividendenzahlung pocht.

„Im aktuellen Geschäftsjahr liegen wir bislang hinter unseren Erwartungen“, räumt Derksen unumwunden ein. Bevor konkrete Portfolioentscheidungen getroffen werden, muss aber ohnehin auf den neuen CEO Joachim Drees gewartet werden. Der Beteiligungsmanager kommt zum 1. Oktober. Dann ist Derksen, der seine Zelte nach der Rückkehr aus den USA im niederländischen Nijmegen aufgeschlagen hat, seine Doppelfunktion endlich los.