Independent Research schließt die Pforten
Von Christopher Kalbhenn,
Frankfurt
Es ist eine traurige Nachricht für den deutschen Finanzmarkt. 27 Jahre nach ihrer Gründung schließt Independent Research die Pforten. Damit setzt sich der seit Jahren anhaltende Abbau von Research-Kapazitäten fort. Das unabhängige Frankfurter Research-Haus, das im Auftrag von Banken White-Label-Research erstellt, muss der Aufgabe des Kapitalmarktgeschäfts in etlichen Instituten, die zu seinen Kunden zählten und kein Research mehr benötigen, und dem Verlust von Kunden durch Fusionen Tribut zollen. Wie Pierre Drach, Gründer und Geschäftsführer, der Börsen-Zeitung sagte, hat er sich schweren Herzens für eine Liquidation entschieden, weil das Geschäft nicht mehr nachhaltig wirtschaftlich betrieben werden könne.
Der Betriebswirt, der schon seit dem Beginn seines Studiums im Wertpapierhandel arbeitete, war von 1990 bis 1995 für die Maklerfirma Ballmaier & Schultz tätig. Dort startete er zunächst einen Presse- und Agenturspiegel, der auch auf Englisch erstellt wurde, ehe 1991 auch ein Research in Angriff genommen wurde. Es handelte sich nicht um ein Research nach heutigem Verständnis. Vielmehr wurden Unternehmensereignisse aufgegriffen und kurz kommentiert. Das Angebot wurde Zug um Zug ausgebaut, und die Firma beschäftigte zehn Mitarbeiter.
1994, als Ballmaier an die Börse ging, fiel der Entschluss, das Research auszugründen. Drach nahm die Mitarbeiter mit, Ballmaier wurde der erste Kunde. Bei der Gewinnung neuer Kunden, das waren damals ausschließlich Investoren, kamen der 1995 gegründeten Independent Research das Telekom-IPO und der Neue Markt zugute. Da viele Institute Teil des Telekom-Konsortiums waren, zählte Drach zu den wenigen, die das Unternehmen unabhängig kommentieren konnte. Zudem gelang es ihm und seiner Mannschaft, den kompletten Neuen Markt sowie die Indizes Dax, MDax und SDax auf Deutsch und Englisch abzudecken. Auf dem Höhepunkt des Neuen Markts beschäftigte Independent Research 45 Mitarbeiter. Doch mit dem Zusammenbruch des Neuen Marktes brach der Umsatz des Unternehmens um 90% ein. Drach musste das Personal massiv bis auf rund zehn Mitarbeiter abbauen. Zudem brauchte er ein komplett neues Geschäftsmodell. Drach nutzte den verstärkten Outsourcing-Trend der Bankenbranche, indem er auf White-Label-Research umstellte. Mit Erfolg: Independent Research wurde Marktführer.
Drach führt den Erfolg auf die Breite der Marktabdeckung und die Individualisierung der für die Kunden erstellten Produkte als Alleinstellungsmerkmale zurück. Die Mitarbeiterzahl stieg in der Spitze auf 25. Mit der Finanzkrise begann sich jedoch das Umfeld einzutrüben. Mehr und mehr Banken reduzierten ihr Kapitalmarktgeschäft, was die Research-Nachfrage reduzierte, etliche Kunden verschwanden durch Fusionen.
Über seine Zukunft wird Drach noch entscheiden. Potenzielle Perspektiven eröffneten sich u. a. dadurch, dass er nun wieder Wertpapiere handeln dürfe. Allerdings stellt sich Drach, der über ein sehr weites Netzwerk in der Finanzbranche verfügt, eher eine Tätigkeit als Berater für Investoren, eventuell auch für Emittenten vor.