Rücktrittswelle

Investmentbanker David Chin wirft das Handtuch

Der nächste Top-Investmentbanker in China gibt auf. Der Länderchef der schweizerischen UBS Group, David Chin, wirft das Handtuch. Es ist der dritte Fall binnen eines Monats.

Investmentbanker David Chin wirft das Handtuch

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Es gibt etwa ein Dutzend global aufgestellte Investmentbanken mit ambitiösen Plänen für eigenverantwortliches Wertpapiergeschäft auf dem chinesischen Festland. Wenn drei von ihnen binnen nur eines Monats ihren China-Chef verlieren, weil dieser entnervt das Handtuch schmeißt, muss irgendetwas im Busch sein. Entsprechend alarmiert zeigt man sich am Finanzplatz Shanghai, nachdem am Donnerstag bekannt wurde, dass der Länderchef für China der schweizerischen UBS Group, David Chin, mit sofortiger Wirkung diese Verantwortung abgibt. Es handelt sich nämlich bereits um den dritten ähnlich gelagerten Fall in einem Zeitraum von nur zwei Wochen.

Mitte April gab Houston Huang seinen Posten als Chief Executive der J.P. Morgan Securities China auf. Gerade einmal fünf Tage später kam die Nachricht, dass der CEO der Credit Suisse Securities China, Tim Tu, das Amt freiwillig niederlegt und um eine Versetzung nach Hongkong mit neuen Aufgaben im Hause der Credit Suisse bittet. Über den Hintergrund der etwas unheimlich wirkenden Demissionswelle von gestandenen Managern bei den ausländischen Top-Adressen im Investment Banking in China muss man wohl nicht lange rätseln. Es kann unmöglich ein Zufall sein, wenn man bedenkt, dass sich Chinas Finanzkapitale Schanghai, von wo aus die drei Institute ihr Wertpapiergeschäft für das chinesische Festland steuern, seit Anfang April im harten Lockdown befindet.

Der Lockdown in Schanghai schafft in Verbindung mit der bereits seit Januar grassierenden Omikron-Welle am chinesischen Offshore-Finanzplatz Hongkong eine völlig vertrackte Situation. Mobilitätsrestriktionen und Quarantäneregelungen machen das gewohnte Zusammenspiel im Management der natürlich eng verbundenen Investmentbankaktivitäten an den Standorten Hongkong und Schanghai zu einem absurden Theater. Damit wird die Doppelrolle einer Verantwortung für Investment Banking im Raum Greater China oder Asien-Pazifik, die die Institute seit jeher in Hongkong angesiedelt haben, und einer Chefposition bei den rechtlich in Schanghai oder Peking verankerten Wertpapiertöchtern auf dem Festland praktisch unmöglich.

Ab in die Heimat

Seit dem Pandemieausbruch im Januar 2020 und Chinas Sicherheitsgesetz für Hongkong von Juli 2020 haben Heerscharen ausländischer Banker ihre Arbeitsplätze in China aufgegeben und sind in ihre Heimat zurückgekehrt. Sie wollen sich mit den neuen Gegebenheiten der drakonischen Reise- und Visarestriktionen für Festland-China und den Freiheitsbeschränkungen in Hongkong nicht abfinden. Bei den Revirements im Hause Credit Suisse, J.P. Morgan und UBS sind die handelnden Personen keine frustrierten Ausländer, sondern frustrierte Hongkong-Chinesen. Im Zuge von Chinas wahnwitziger Null-Toleranz-Politik bezüglich Corona sehen sie keine Chance mehr, einen vernünftigen Job an beiden Finanzplätzen zu machen.