Von Werner Rüppel, Frankfurt

Ein echter Hamburger mit Schiffsmaklern als Vorfahren in München? Den Hanseaten Jens Ehrhardt zog es Mitte der Sechzigerjahre zum Studium nach Bayern. Sein Wirtschaftsstudium hat er weitgehend selbst finanziert. „Jeden Samstag als Ausfahrer für Feinkost Dallmayr“, so Ehrhardt. Und Segeln, sein liebstes Hobby, kann man nicht nur im Norden, sondern auch auf bayerischen Seen und speziell auf dem Mittelmeer.

In München hat das Urgestein des deutschen Kapitalmarkts, der „Mister Börse“ schlechthin hierzulande, Karriere gemacht. Ehrhardt ist im Fernsehen und in allen Finanzmedien präsent und wird sehr geschätzt. Auch als Vermögensverwalter ist er überaus erfolgreich.

Nach einer Partnerschaft in der seinerzeit größten deutschen Vermögensverwaltung Portfolio Management hat der Vollblutbörsianer 1974 über „Kursbestimmungsfaktoren am Aktienmarkt“ promoviert. Damit war der Grundstein für die Firma gelegt, die sich DJE (Dr. Jens Ehrhardt) nennt und die er noch heute leitet. Zur Frage nach seinem erfolgreichsten Investment antwortet der Börsenprofi: „Prozentual habe ich wahrscheinlich mit Leerverkäufen auf IOS-Aktien das meiste verdient und es reichte zur Selbstständigkeit.“

Heute beschäftigt die DJE Kapital mit Hauptsitz in Pullach bei München 170 Mitarbeiter und verwaltet per ultimo 2021 rund 17,4 Mrd. Euro. Dabei ist Ehrhardts 1975 geborener Sohn Jan, ebenfalls promoviert, in die Fußstapfen des Vaters getreten. Vater und Sohn führen die Gesellschaft inzwischen gemeinsam. Noch immer managt Jens Ehrhardt den 1987 aufgelegten FMM-Fonds, der inzwischen eine Performance von mehr als 1200% erzielt und den Vergleichsindex auf lange Sicht geschlagen hat.

Jens Ehrhardt preist nicht blind Aktien oder irgendwelche Wertpapiere an, er hat Substanz und weiß fast immer, wie sich die Mitglieder der Fed oder der EZB zuletzt geäußert haben. Schließlich hat er die Bedeutung der Notenbanken für die Aktienmärkte schon in seiner Doktorarbeit aufgezeigt. Wenn man mit ihm spricht, ist man erstaunt, wie genau er die Notenbanker verfolgt. Unabhängiges Research stellt bei Ehrhardt und bei DJE die Basis für alle Anlageentscheidungen dar. Dabei wird im Team nach der von dem erfahrenen Börsianer selbst entwickelten FFM-Methode vorgegangen. FFM steht für die drei Blickrichtungen auf das Geschehen an den Märkten: fundamental, monetär, markttechnisch.

An der Börse verfügt Ehrhardt über eine Erfahrung wie kaum ein anderer. Von neuen Entwicklungen wie Kryptowährungen hält er aber wenig, sie sind für ihn ohne Wert. Aktien sind hingegen werthaltig, zumindest wenn man die Titel genau auswählt. Sein Motto beim Investieren lautet übrigens: „Folge dem Aktientrend, aber versuche, antizyklisch zu denken, damit du die Trendumkehr nicht verpasst.“

Und wer kennt noch den US-Investor Martin Zweig? Ehrhardt auf jeden Fall: „Bei der Antizyklik helfen Stimmungsindikatoren, die ich in New York beim Über-die-Schulter-Schauen von Martin Zweig gelernt habe.“

Doch Jens Erhardt ist nicht allein Vermögensverwalter. Seit 1974 tut er seine Meinung in der internationalen Konjunktur- und Marktanalyse „Finanzwoche“ kund. Die Publikation ist bei Börsianern schon fast Kult und von der Qualität her vielen anderen Börsenbriefen überlegen. Mitunter werden dabei Erinnerungen an die Zeit vor dem Internet wach. Damals gab es Zeiten, in denen an den BWL-Lehrstühlen hierzulande nur wenige Exemplare der Finanzwoche vorhanden waren, die dann von den wertpapieraffinen Studenten bevorzugt gelesen und, wenn möglich, auch kopiert wurden. Motto: Wer die Finanzwoche gelesen hat, der weiß Bescheid. Dies soll auch heute noch so sein, und Jens Ehrhardt steckt auch in seinem Alter viel Herzblut in seine Finanzwoche.

Überhaupt hat er noch viel Spaß an den Märkten, ist gesund, managt seinen Fonds und tauscht sich bei DJE Kapital mit seinem Sohn und den jungen Leuten im Team aus. Und jeder kann inzwischen auf Youtube sehen, wie er aktuell die Märkte einschätzt. Am Donnerstag wird Jens Ehrhardt 80 Jahre alt.