Just Eat Takeaway suspendiert Gerbig
hek
Die Lieferando-Muttergesellschaft Just Eat Takeaway setzt ihren Chief Operating Officer Jörg Gerbig erst einmal vor die Tür. Als Grund nennt der britisch-niederländische Konzern „mögliches persönliches Fehlverhalten auf einer Unternehmensveranstaltung“. Daher hat der Aufsichtsrat seine Wiederbestellung kurz vor der Hauptversammlung am Mittwoch von der Tagesordnung des Aktionärstreffens gestrichen.
Gerbig gehört zu den großen Namen in der deutschen Gründerszene. Mit Christoph Gerber und Kai Hansen hob er im Jahr 2009 den Online-Essensanbieter Lieferando aus der Taufe. 2014 schluckte Takeaway das Unternehmen. Es folgte ein ebenso erbittertes wie verlustträchtiges Ringen um Kunden und Marktanteile mit Delivery Hero (Lieferheld, Foodora, Pizza.de). Der Lieferkampf dauerte bis Dezember 2018, dann räumte Delivery-Hero-Chef Niklas Östberg das Feld. Takeaway kaufte das Deutschlandgeschäft des in Berlin ansässigen Konkurrenten.
Seither dominiert Lieferando den hiesigen Markt – und fährt üppige Margen ein. Lieferando gilt als Ertragsstütze eines Konzerns, der insgesamt tief in den roten Zahlen steckt. Mit dem Verkauf wechselte der 1981 geborene Gerbig zu den Niederländern und stieg zum COO auf. Er war maßgeblich an der Integration der beiden Firmen beteiligt und trieb die Vereinheitlichung des Marktauftritts (ein Unternehmen, eine Marke, eine IT-Plattform) voran.
Aufgrund einer formellen Beschwerde habe der Aufsichtsrat eine Untersuchung gegen Gerbig eingeleitet, teilt Just Eat Takeaway mit. Die Beschwerden stünden in keinem Zusammenhang mit Finanz- oder Berichtspflichten. Mit der Untersuchung sei ein externer Experte beauftragt worden. Sie befinde sich in der Anfangsphase. Gerbig kooperiere voll. Seine Amtszeit ende mit der Hauptversammlung am 4. Mai. Ab diesem Zeitpunkt sei Gerbig mindestens bis Ende der Untersuchung kein Vorstandsmitglied mehr. Er könne sich zur Wiederwahl stellen, „wenn sich die Anschuldigungen als unbegründet erweisen“.
Des Weiteren hat Aufsichtsratschef Adriaan Nühn (68) auf seine Wiederwahl verzichtet. Auch dieser Punkt wurde laut Firmenangaben von der Tagesordnung der Hauptversammlung gestrichen. Nicht zur Wiederwahl anzutreten sei die beste Entscheidung, die er im Hinblick auf die Interessen des Unternehmens und seiner Stakeholder treffen könne, sagt der frühere CEO des US-Konsumgüterherstellers Sara Lee.
Der aktivistische Aktionär Cat Rock Capital und Lucerne Capital Management hatten angekündigt, gegen Nühns Wiederwahl und die anderer Aufsichtsräte zu stimmen. Sie üben heftige Kritik am Erwerb der amerikanischen Grubhub, die Just Eat Takeaway inzwischen wieder zur Disposition gestellt hat.
Wiederbestellt wurde CFO Brent Wissink (55), obwohl es dagegen im Vorfeld offenen Widerstand unter Aktionären aufgrund des Grubhub-Fehlgriffs gegeben hatte. Den Aufsichtsrat leitet nun die bisherige Vizechefin und TomTom-Mitgründerin Corinne Vigreux (57).