Italien

Leonardo Del Vecchio †

Nach dem Tod des Multiunternehmers und Multimilliardärs Leonardo Del Vecchio, gibt es viele offene Fragen, wie es mit seinem Imperium weitergeht.

Leonardo Del Vecchio †

Von Gerhard Bläske, Mailand

Nach dem Tod des 87-jährigen Unternehmers und Multimilliardärs Leonardo Del Vecchio ist unklar, wie es mit seinem Imperium weitergeht. Das betrifft vor allem seine Finanzbeteiligungen. Während die Papiere des Brillenriesen EssilorLuxottica, an dem seine Holding Delfin mit 32 % beteiligt ist, um etwas mehr als 1 % nachgaben, verloren Mediobanca (Anteil: 19,4 %) und Generali (9,8 %) fast 3 % ihres Werts. Beobachter halten es für möglich, dass Del Vecchios Nachfolger an den Finanzbeteiligungen nicht festhalten oder einen anderen Kurs verfolgen.

Die Unsicherheit ist auch deshalb groß, weil Del Vecchio trotz seines hohen Alters bis zuletzt hochaktiv war. Er war Chairman von EssilorLuxottica und hat noch Ende April, gemeinsam mit dem Bauunternehmer Francesco Caltagirone, versucht, Generali-CEO Philippe Donnet zu stürzen. Bei der Investmentbank Mediobanca soll er für Oktober ähnliches geplant haben.

Erben des Imperiums sind Del Vecchios sechs Kinder, die aus drei Beziehungen stammen, sowie seine Ehefrau Nicoletta, die er zweimal geheiratet hatte. Der Großteil seines Vermögens ist in der Luxemburger Holding Delfin gebündelt, darunter die genannten Beteiligungen, sowie Anteile an der börsennotierten französischen Immobiliengesellschaft Covivio (27,2 %), der HVB-Mutter Unicredit (2 %) sowie vieles andere. Der gesamte Vermögenswert wird auf 27 bis 30 Mrd. Euro geschätzt.

Operativ dürfte das Imperium von Del Vecchios langjährigem Vertrauten Francesco Milleri geführt werden. Er ist seit 2020 CEO von EssilorLuxottica. Der 63-jährige Manager aus dem umbrischen Città di Castello arbeitete über seine eigene Firma viele Jahre als Consultant für Del Vecchio und erwarb dessen Vertrauen. Nachdem der langjährige Luxottica-Chef Andrea Guerra 2014 das Unternehmen verlassen hatte, übernahm der Digitalexperte Milleri zunehmend Verantwortung in der unternehmerischen Führung. Während er sich bisher lediglich mit Del Vecchio abstimmen musste, muss er künftig das Einvernehmen mit dessen Witwe und den sechs Nachkommen suchen. Vor allem das Engagement bei Finanzunternehmen, das nicht zum Kerngeschäft zählt, galt als persönliche Leidenschaft Del Vecchios.

Der Aufstieg zum zweitreichsten Italiener war Del Vecchio nicht in die Wiege gelegt. Sein Vater starb schon vor seiner Geburt. Die aus Apulien stammende Mutter steckte ihren Sprössling im Alter von sieben Jahren aus materiellen Gründen in das Mailänder Waisenhaus Martinitt. „Das prägt Dich“, sagte Del Vecchio später dazu. Mit 15 begann Del Vecchio als Geselle in einer Firma, die Münzen und Medaillen herstellte. Er machte eine Lehre als Schlosser, verlegte sich dann auf die Feinmechanik und begann in einer Mailänder Garage als Zulieferer für Brillenhersteller. Abends bildete er sich in Kursen weiter. In seiner Arbeit setzte er stets auf höchste Qualität „Ich habe immer danach gestrebt, in allem, was ich tue, der Beste zu sein. Das ist alles“, sagte er kürzlich in einem seiner seltenen öffentlichen Statements.

Mit 26 zog er nach Agordo in die Dolomiten um, wo er zu günstigen Bedingungen ein Grundstück erhielt. 1967 startete er als Brillenproduzent. Er erwarb Lizenzen bekannter Luxusmarken wie Armani, Prada, Bulgari, Versace, Valentino, Chanel, Burberry, Ralph Lauren und vielen mehr. 1990 folgte der Börsengang in New York, zehn Jahre später in Mailand. Er erwarb die Marken Ray-Ban, Persal, Alain Mikli und zahlreiche Retail-Ketten, zunächst vor allem in den USA wie LensCrafter, Oakley, Cole Nationale und Sunglass Hut sowie Grand Vision und ging Ende der 90er-Jahre nach China. 2018 erfolgte die 50-Milliarden-Fusion mit der französischen Essilor.

Ähnlich wie Silvio Berlusconi, Modemacher Giorgio Armani oder Luciano Benetton verkörpert der Selfmademan Del Vecchio einen italienischen Kapitalismus alter Schule. Er steht auch für großzügige Sozialleistungen. Zu seinem 80. Geburtstag spendierte er den damals 8 000 italienischen Mitarbeitern ein Aktienpaket im Wert von 9 Mill. Euro.