Finncap

Londons bekannteste Brokerin tritt ab

Sam Smith wird die Führung des 2007 von ihr gegründeten Brokers Finncap im September abgeben. Sie hat mit ihrem Unternehmen gezeigt, dass eine andere Firmenkultur in der City möglich ist.

Londons bekannteste Brokerin tritt ab

Von Andreas Hippin, London

Sam Smith (48) hat es geschafft, sich in der von Testosteron getriebenen Londoner City einen Namen zu machen. Vor knapp einem Vierteljahrhundert fing sie bei JM Finn & Co. an. Dort brachte sie die Sparte Corporate Advisory & Brokerage an den Start, aus der Finncap hervorging. Nachdem sie in den vergangenen Monaten unglaublich viel zu tun gehabt habe, wolle sie mehr Zeit für sich selbst, begründete sie ihre Entscheidung, die Führung der börsennotierten Gesellschaft im September dem Managing Partner John Farrugia zu übertragen. Ganz zurückziehen will sie sich aber nicht. Sie wird dem Unternehmen, an dem sie ein Zehntel hält und das zuletzt an der Übernahme der Handwerkerplattform Pimlico Plumbers durch das KKR-Portfoliounternehmen Neighborly als Berater beteiligt war, weiter mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Smith führte 2007 einen Management Buy-out an, aus dem Finncap entstand. Zwei Wochen nach Abschluss der Transaktion brach Northern Rock zusammen und die Finanzkrise begann. „Haarige Zeiten“ seien das gewesen, sagte sie in einem Interview. Manchmal sei sie mitten in der Nacht aufgewacht, weil sie fürchtete, der Firma könnte das Geld ausgehen. „Vor 15 Jahren gab es keine Frau in einer Führungsposition, die man sich zum Vorbild hätte nehmen können, in der Finanzbranche mit Sicherheit nicht.“ Sie habe deshalb trotz großen Selbstbewusstseins zunächst die Verhaltensweisen der männlichen Bosse nachgeahmt, die ihr begegnet waren. „Mein Stil war ziemlich maskulin“, gab sie unumwunden zu. Sie habe begonnen, andere Kleidung zu tragen und einen frostigen Eindruck bei Menschen zu hinterlassen, obwohl sie eigentlich eine warme und freundliche Person sei. Als ihr jemand gestand, dass sie ihm Angst mache, vollzog die alleinerziehende Mutter einer achtjährigen Tochter eine Kehrtwende. „Ich dachte: ‚Nein, ich will, dass diese Firma anders ist‘“, sagte sie. Und die Hosenanzüge seien in die Altkleidersammlung gewandert. Fast zwei Fünftel der Belegschaft von Finncap sind Frauen – weit mehr als branchenüblich. Mitarbeiter werden ermutigt, das Büro um 17.00 Uhr zu verlassen, und nicht von ihren Vorgesetzten genötigt, Abendtermine wahrzunehmen. Dabei hat sie nichts gegen die zuweilen exzessive Trinkkultur in der City. Die Branche sei eben „sehr gesellig“. Man gehe mit den Kunden aus und verbringe feuchtfröhliche Nächte. Vor vier Jahren brachte sie Finncap an die Londoner Börse. Zudem übernahm sie Cavendish Corporate Finance. Im Mai beteiligte sich Finncap mit 50% am ESG-Berater Ener­gise. Man wird noch von ihr hören. Kaum vorstellbar, dass sie sich künftig auf ihre Hobbys Kochen und Tennis beschränkt.

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