Lufthansa holt frühere Technologiechefin von Airbus an Bord
Luftfahrtbranche
Lufthansa holt ehemalige Technologiechefin von Airbus
lis/wü Frankfurt/Paris
Von Lisa Schmelzer, Frankfurt, und Gesche Wüpper, Paris
Das Leben sei nicht planbar, sagte sie einmal in einem Interview, als sie noch Technologiechefin von Airbus war. Der Weg sei das Ziel, wobei ihr Traum immer das Fliegen gewesen sei. Nun landet Grazia Vittadini nach einem Umweg mit Zwischenstation bei Rolls-Royce im Vorstand von Lufthansa. Ab Juli soll sie die Leitung des Ressorts Technik und IT übernehmen, das es bisher in diesem Zuschnitt – inklusive Nachhaltigkeit – noch nicht gegeben hat.
Traum von Luftwaffen-Karriere
Vittadini kommt von außen in den Lufthansa-Vorstand, der zweite Neuzugang in der Konzernführung ist Swiss-Chef Dieter Vranckx. Er verantwortet künftig den Bereich „Globale Märkte und kommerzielle Steuerung Hubs“ und erhält wie Vittadini zum 1. Juli 2024 einen Drei-Jahres-Vertrag. Ihre Posten räumen müssen die Vorstände Harry Hohmeister und Detlef Kayser, deren Verträge demnächst auslaufen, sowie Christina Foerster, der die Unzufriedenheit der Lufthansa-Passagiere mit dem "Produkt" der Airline angekreidet wird. Auch CFO Remco Steenbergen verlässt die Lufthansa, ein Nachfolger wird noch gesucht. Interimistisch wird Personalvorstand Michael Niggemeier die CFO-Aufgaben übernehmen. Der Vorstand wird im Zuge des Umbaus von sechs auf fünf Mitglieder verkleinert.
Kley-Kommentar lässt tief blicken
Karl-Ludwig Kley, Vorsitzender des Aufsichtsrats, wird neben dankenden Worten für die ausscheidenden Manager mit folgendem Satz zitiert, der tief blicken lässt: „Die Interaktion mit unseren Kunden, Investoren, Partnern, aber auch die Zusammenarbeit innerhalb der Lufthansa-Gruppe verlangen mehr denn je ein ausgeprägtes Teamverständnis. Auch das versprechen wir uns von unserem neuen Vorstandsteam.“
In den Zuständigkeitsbereich der 54-jährigen Vittadini, die eine Pilotenlizenz besitzt, fallen künftig neben der Technologie, die bisher zur Sparte Flotte des ausscheidenden Kayser gehörte, auch das Thema Nachhaltigkeit, für das bisher Foerster als Vorständin neben Markenführung verantwortlich war. Die in Lodi in der Lombardei geborene Ingenieurin mit deutschem und italienischem Pass soll bei der Fluggesellschaft vor allem das Thema Dekarbonisierung vorantreiben.
Sie habe die Freigabe für den Start auf den Flügeln des Kranichs erhalten, erklärte Vittadini auf Linkedin. "Danke Karl-Ludwig Kley und Carsten Spohr für das Vertrauen!" Der Werdegang der neuen Technikchefin von Lufthansa ist eng mit Deutschland verknüpft. Nachdem sie nach dem Studium der Luft- und Raumfahrttechnik am Politecnico in Mailand zunächst bei dem italienischen Partner des Eurofighter-Konsortiums begonnen hatte, wechselte sie 2002 zu Airbus in Deutschland.
Einen Großteil ihrer Karriere hat Vittadini bei dem europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern verbracht. So war sie an der Entwicklung des A380 beteiligt und als Leiterin der Struktur- und Belastungstests in Hamburg an der Musterzulassung des A350-Langstreckenjets. Später wurde sie erst Leiterin des Engineerings der Verteidigungs- und Raumfahrtsparte, bevor sie 2018 zur Technologiechefin des Gesamtkonzerns aufstieg.
2021 wechselte Vittadini in gleicher Funktion zu Rolls-Royce. Der Triebwerkshersteller gab jedoch im Oktober einen umfangreichen Stellenabbau bekannt und kündigte in dem Zusammenhang an, dass sie den Konzern im April verlassen werde. Seitdem ist die Managerin, die dem Aufsichtsrat von Siemens und dem Vorstand des deutsch-französischen Raumfahrt-Start-ups The Exploration Company angehört, als Sonderberaterin für Rolls-Royce tätig.
Eigentlich hatte Vittadini als Teenager davon geträumt, Pilotin bei der italienischen Luftwaffe zu werden. Doch ihre Bewerbung sei abgelehnt worden, weil es damals keine weiblichen Piloten gab, berichtete sie. "Damals war ich wütend, aber ich sagte mir: ,Wenn ich keine Flugzeuge fliegen kann, dann baue ich sie eben!‘"
Einsatz für mehr Diversität
Bei Airbus hat sich die Ingenieurin, die der französischen Ehrenlegion angehört und von der britischen Cranfield University mit einem Ehrendoktortitel ausgezeichnet wurde, stets dafür eingesetzt, dass Frauen mehr Verantwortung bekommen. Offen für Feedback zu sein, aber gleichzeitig seinem eigenen Weg treu zu bleiben, empfahl sie jungen Menschen einmal.
"Flugzeuge gehören zu den komplexesten Produkten überhaupt", sagt sie. Um Herausforderungen wie dem Klimawandel begegnen zu können, müsse an vielen Stellschrauben gleichzeitig gedreht werden: leichtere Materialien, hybride Antriebe, aber auch künstliche Intelligenz und Quantencomputer.
Grazia Vittadini soll bei Lufthansa ab Juli als Technikchefin die Dekarbonisierung vorantreiben.