Martin Sorrells Rache ist sauer geworden
Von Andreas Hippin, London
S4 Capital zum Erfolg zu machen, sei „die beste Form der Rache“, sagte Martin Sorrell (77) einmal vor Journalisten. Rache wofür? Der ehemalige Gründer, Großaktionär und Chef der Werbeagentur WPP hatte 2018 überraschend sein Amt niedergelegt – elf Tage nachdem das Unternehmen mitgeteilt hatte, gegen ihn werde eine interne Untersuchung wegen persönlichen Fehlverhaltens geführt. Worum es ging, wurde nie öffentlich gemacht. Medienberichten zufolge hatte er eine Prostituierte mit Firmengeldern bezahlt, was er stets bestritt. Auch über eine mögliche Boardroom-Intrige wurde damals spekuliert.
Wenig später war der „Weise von Soho“ wieder da. Er übernahm per Reverse Takeover den Börsenmantel Derriston Capital, in den er sein Vehikel S4 Capital wickelte. Investoren finanzierten ihm eine stattliche Kriegskasse, von der er sogleich Gebrauch machte. Die niederländische Media Monks, zu deren Kunden etwa Adidas, Amazon und Johnson&Johnson gehörten, schnappte er WPP unter der Nase weg. Kurz darauf folgte die Übernahme von Mightyhive aus San Francisco. Sorrell setzte zu einer Neuauflage seines Erfolgs mit WPP an. Die hatte damit begonnen, dass er 1985 in einen Börsenmantel namens Wire & Plastic Products investierte, einen Hersteller von Einkaufskörben aus Draht. Der ehemalige Finanzchef von Saatchi & Saatchi machte daraus ein weltumspannendes Netz von Werbeagenturen. Das von ihm zusammengekaufte Imperium wurde von manchen mit ITT verglichen.
Doch hat er beim zweiten Anlauf offenbar nicht so viel Glück wie beim ersten Mal. Der Kurs seiner neuen Werbeagentur brach nach einer Gewinnwarnung am Donnerstag um mehr als 40 % ein. Die Gesellschaft, die noch im September 2021 einmal 6,7 Mrd. Pfund wert war, kam zuletzt noch auf eine Marktkapitalisierung von etwas mehr als einem Zehntel davon. „Wir haben mit null angefangen“, zitiert ihn der „Telegraph“. Das Unternehmen sei immer noch rund 700 Mill. Pfund wert. Aktien stiegen und Aktien fielen, so sei es eben am Markt.
Es könnte aber auch am Geschäftsmodell der Firma liegen. „Anhaltende wesentliche Investitionen in Neueinstellungen und die daraus resultierende Vergrößerung der Kostenbasis des Unternehmens, insbesondere im Segment Content, haben negative Auswirkungen auf Ebitda (Ergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Amortisation) und Ebitda-Marge im ersten Halbjahr gehabt“, heißt es in einer Pflichtveröffentlichung des Unternehmens. Das Management reduzierte sein Ebitda-Ziel für das laufende Jahr auf 120 Mill. Pfund. Analysten hatten zuvor mit zwischen 154 Mill. und 165 Mill. Pfund gerechnet. Im März hatte S4 Capital bereits die Veröffentlichung ihrer Jahreszahlen verschieben müssen, weil ihre Wirtschaftsprüfer sie nicht abzeichnen konnten.
„Rache trägt keine Frucht!“ heißt es in Schillers „Wilhelm Tell“. „Sich selbst ist sie die fürchterliche Nahrung.“