Triebwerkbauer

MTU-Spitze stellt Weichen fürs Elektrozeitalter

Lars Wagner führt künftig den Triebwerkbauer MTU. Mit der Bestellung des Maschinenbauingenieurs setzt der Dax-Konzern ein Zeichen mitten im Wandel der Technik auch bei der Luftfahrtindustrie.

MTU-Spitze stellt Weichen fürs Elektrozeitalter

Von Stefan Kroneck, München

Kurz vor dem Wechsel an der Spitze des Aufsichtsrats hat die Verwaltung von MTU Aero Engines frühzeitig Pflöcke geschlagen für die Zukunft des Münchner Dax-Unternehmens. Unter der Regie des scheidenden Chefaufsehers Klaus Eberhardt (74) ernannte das Kontrollgremium dieser Tage den 46-jährigen Lars Wagner zum designierten Vorstandsvorsitzenden. Der Technikvorstand folgt damit auf den langjährigen CEO Reiner Winkler (60), der vorzeitig zum Ende dieses Jahres sein Mandat aufgibt. Sein Vertrag wäre noch bis Ende September 2024 gelaufen.

Die Entscheidung für den früheren Airbus-Manager, der seit viereinhalb Jahren im obersten Führungsorgan das Technikressort verantwortet, lässt aufhorchen. Denn beim größten deutschen Flugzeugtriebwerkhersteller verantwortet mit Winkler seit nunmehr fast achteinhalb Jahren ein studierter Kaufmann die Geschicke des traditionsreichen Hochtechnologiekonzerns.

Mit dem bevorstehenden Wechsel an der Unternehmensspitze signalisiert MTU, dass sich der Schwerpunkt der künftigen Aktivitäten im Management verschiebt. Die Luftfahrtindustrie steht am Anfang eines Wandels der Technik. Großabnehmer Airbus bereitet die kommende Generation der Verkaufsschlager-Baureihe A320 vor. Dabei dürften noch energieeffizientere Triebwerke eine Rolle spielen. In der Branche nimmt das Thema Elektroantriebe einen immer größeren Raum ein, wenngleich Flugzeuglieferanten wie MTU die Gesetze der Physik nicht außer Kraft setzen können: Rein batteriebetriebene Verkehrsmaschinen mit einem mittleren bis langen Streckenradius sind eine Utopie.

Mit dem bislang fossilen Brennstoff Kerosin arbeitende Triebwerke sorgen für ausreichend Schubkraft, die benötigt wird, damit die viele Tonnen schweren Flugzeuge beim Start in die Luft abheben können. Dadurch beschränkt sich die Entwicklung von rein batteriebetriebenen Triebwerken auf das Segment kleinerer Flugobjekte mit überschaubaren Passagierzahlen und Reichweiten, sogenannte Flugtaxis.

Um für zivile Verkehrsflugzeuge in der Zukunft alternativ Hybridantriebe, also eine Kombination aus Brennstoff- und Elektromotor, in Serie anbieten zu können, arbeitet Airbus an einem mit Wasserstoff betriebenen emissionsfreien Flugzeug. Das verschlingt mehrere Milliarden an Forschungs- und Entwicklungskosten. Denn die Evolution in der Luftfahrt geht in drei Schritten voran: erstens Effizienzsteigerung mit mo­derneren Gasturbinen, zweitens die schrittweise Einführung alternativer, nachhaltiger synthetischer Treibstoffe (sogenannte Sustainable Aviation Fuels) und drittens Hybridmodelle auf Basis von mit Wasserstoff betriebenen Brennstoffzellen. In einer solchen Phase des sukzessiven Übergangs ist für MTU der künftige CEO der richtige Mann zur richtigen Zeit. Unter der Aufsicht des neuen deutsch-amerikanischen Chefkon­trolleurs Gordon Riske (64), der seit zwei Wochen im Amt ist, wird Wagner neue strategische Weichen stellen müssen in Richtung eines Wachstums mit klimafreundlicheren emissionsfreien Triebwerken. Die Transformation in der Luftfahrtindustrie wird aber aus den erwähnten Gründen vergleichsweise nicht so schnell und radikal vonstatten gehen (können) wie in der Autobranche.

Der vierte CEO seit dem IPO

Daher sind dem innovativen Spielraum für Wagner in Zusammenarbeit mit dem MTU-Konsortialführer im Triebwerksbau, dem US-Konzern Pratt & Whitney, Grenzen gesetzt in Bezug auf die praktische Umsetzbarkeit moderner Technologien. Riskes Amtsvorgänger gab die Marschrichtung bereits vor: „Lars Wagner ist ein exzellenter Nachfolger an der Spitze der MTU und bereits seit längerer Zeit ein potenzieller interner Kandidat. Mit seiner umfassenden Branchen- und MTU-Erfahrung und seiner überzeugenden Persönlichkeit wird er das Unternehmen in die Zukunft führen, die von weitreichenden technologischen Innovationen geprägt sein wird“, ließ sich seinerzeit Eber­hardt mit der Entscheidung zur Nachfolgeregelung an der Konzernspitze in einer Pressemitteilung zitieren. Der Aufsichtsrat bestimmte Wagner nach Unternehmensangaben einstimmig zum CEO, der seine Aufgabe zum 1. Januar 2023 antritt. Riske, der bis Ende vergangenen Jahres den Frankfurter Gabelstaplerfertiger Kion geführt hatte, „begleitete“ laut MTU bereits den Auswahlprozess. Das Tandem Wagner-Riske wird künftig die Ausrichtung von MTU prägen. Dabei dürfte der Konzern das Budget für Forschung und Entwicklung in den kommenden Jahren ausweiten.

Wagner gilt im vierköpfigen Vorstand von MTU als Fachmann fürs operative Geschäft. Seit Januar 2018 verantwortet der diplomierte Ma­schinenbauer der Fachrichtung Luft- und Raumfahrttechnik und Master of Business Administration im Führungsorgan die Bereiche Technologie, Entwicklung, Einkauf, Fertigung, Montage und Qualität.

Zuvor war der gebürtige Cuxhavener zweieinhalb Jahre lang Bereichsleiter OEM Operations von MTU. Vor seinem Wechsel zu MTU übte er verschiedene Führungspositionen bei Airbus aus. Nach dem Abitur hatte der verheiratete Vater zweier Kinder seine berufliche Karriere beim europäischen Boeing-Rivalen am Standort Bremen mit einer Ausbildung zum Fluggerätemechaniker begonnen. Wagner ist derzeit das jüngste MTU-Vorstandsmitglied. Er wäre der vierte CEO  des Unternehmens seit dem Börsengang (IPO) im Frühsommer 2005.

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