Münchner Flughafenchef Jost Lammers steht unter Druck
Münchner Flughafenchef unter Druck
Von Joachim Herr, München
Es war nicht das erste Mal in jüngster Zeit, aber am 3. Oktober war das Chaos besonders groß: Im und sogar vor dem Terminal 2 des Münchner Flughafens standen die Passagiere vor der Sicherheitskontrolle in einer kilometerlangen Schlange. Etwa 750 von ihnen verpassten nach Angaben der Lufthansa deshalb ihre Flüge. Die Gesellschafter sind erzürnt. Der Stadt gehören 23% der Anteile, dem Freistaat Bayern 51% und dem Bund 26%. Zudem ist Lufthansa-Chef Carsten Spohr schon länger nicht gut auf das Management des zweitgrößten deutschen Drehkreuzes der Fluggesellschaft zu sprechen.
Jost Lammers, seit Anfang 2020 Vorsitzender der Geschäftsführung des Münchner Airports, ist stark unter Druck und Rechtfertigungszwang geraten. In der vergangenen Woche musste der Diplom-Ökonom dem Wirtschaftsausschuss des Stadtrats Fragen beantworten.
„Zurück in die Champions League“
Doch es gelang ihm nicht, überzeugende Antworten zu liefern, wie Münchner Medien berichten. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), Mitglied im Aufsichtsrats des Flughafens, machte aus seinem Ärger keinen Hehl: Die Entwicklung in den vergangenen zwei Jahren mit Verzögerungen in der Abfertigung, unpünktlichen Flügen und langem Warten auf die Gepäckrückgabe bezeichnete er als Absturz.
SPD-Abgeordnete im bayerischen Landtag monieren, dass der Flughafen in internationalen Ranglisten „zuletzt deutlich zurückgefallen“ ist. In einem Dringlichkeitsantrag verlangen sie von der Regierung um Ministerpräsident Markus Söder (CSU), auf einen wieder besseren Service für die Passagiere hinzuwirken. „Bayerns Tor zur Welt muss zurück in die Champions League“, heißt es in dem Antrag.
„Nicht das, was wir liefern wollen“
Lammers begründet das Desaster vom 3. Oktober mit einem hohen Aufkommen von Fluggästen wegen des Oktoberfests und des Brückentags nach dem Feiertag. Zudem weist er auf verschärfte Kontrollvorgaben der EU hin und auf einen Umbau der Zugangstechnik. Auch seien viele Fluggäste schon etliche Stunden vor dem Abflug im Terminal gewesen. „Das Ankunftsverhalten war ein gänzlich anderes als über die vergangenen Jahre gewohnt“, hatte Lammers tags darauf im Fernsehen des Bayerischen Rundfunks gesagt.
Carsten Spohr schimpft
Der als sehr selbstbewusst beschriebene 57 Jahre alte Flughafenchef rang sich eine Entschuldigung ab – an die Passagiere gerichtet. Lammers fügte hinzu, dem eigenen Premiumanspruch sei man nicht wie gewohnt gerecht geworden: „Das war nicht das, was wir liefern wollen.“ Es blieb ihm allerdings gar nichts anderes übrig, als Asche auf sein Haupt zu streuen. Die Mängel waren zu offensichtlich geworden.
Lufthansa-Chef Spohr soll vor kurzem vor Mitarbeitern München in Sachen Pünktlichkeit als den schlechtesten Flughafen in Europa kritisiert haben: Verspätungen häuften sich und es fehle an Personal. Die Lufthansa, Mitbetreiber des Terminals 2, müsse deshalb ihre Wachstumspläne für München reduzieren.
Schon im Januar hatte Karl-Hermann Brandes, Organisationschef der Lufthansa-Airlines, eine schleppende Rekrutierung für Bodenpersonal moniert: „Die Abfertigung heute findet statt wie vor 30 Jahren.“ Lammers hatte mit dem Hinweis auf mehr als 1.000 Neueinstellungen im vergangenen Jahr gekontert und von einer sehr engen Partnerschaft mit der Lufthansa gesprochen.
Vor einem Jahr wurde der Vertrag verlängert
Der Vertrag von Lammers, der bis zu seinem Wechsel nach München zwölf Jahre lang den Flughafen in Budapest geleitet hatte, war im vergangenen Jahr um fünf Jahre bis Ende 2029 verlängert worden. Im Juni 2023 hatte der Aufsichtsratsvorsitzende und bayerische Finanzminister Albert Füracker (CSU) Lammers gelobt, die enorme Herausforderung Corona „mit großer Kompetenz, Erfahrung und Unterstützung des gesamten Flughafenteams mit großer Bravour gemeistert" zu haben.
Die vorzeitige Vertragsverlängerung sei Dank und Vertrauensbeweis. Füracker gab sich damals davon überzeugt, München bleibe mit Lammers an der Spitze einer der besten Flughäfen. 16 Monate später klingt dieses Lob schal. Für den Flughafenchef ist es ungemütlich geworden.