Netflix heuert Manager für Videospiele an
Von Norbert Kuls, New York
Der amerikanische Unterhaltungskonzern Netflix will in das lukrative Geschäft mit Videospielen vorstoßen. Ein wichtiger Aspekt dieser Strategie ist eine in der Branche aufsehenerregende Personalie: Netflix hat den erfahrenen Manager Mike Verdu vom Technologiekonzern Facebook abgeworben. Verdu soll die Spieleentwicklung bei Netflix verantworten und berichtet direkt an den für das Tagesgeschäft verantwortlichen Greg Peters, die Nummer 2 des Konzerns. Bei Facebook war Verdu zuletzt für die Videospiele und andere Inhalte verantwortlich, die die Nutzer der Oculus-Brillen zu sehen bekommen. Oculus ist ein zu Facebook gehörender Anbieter von sogenannten Virtual-Reality-Headsets, mit denen Nutzer in virtuelle Welten abtauchen können. Zuvor war Verdu beim Videospielanbieter Electronic Arts für auf mobile Geräte zugeschnittene populäre Spiele verantwortlich, darunter Plants vs. Zombies 2 oder Produkte auf Basis der Star-Wars-Serie. Außerdem war er zwischen 2009 und 2012 Kreativchef beim Internet-Spieleanbieter Zynga.
Die Personalie unterstreicht die Ambition von Netflix, ihren mehr als 200 Millionen Streaming-Abonnenten nicht nur Fernsehsendungen und Filme anzubieten, sondern neue Wachstumsfelder zu suchen. Wie das Streaming-Geschäft wird auch Online-Gaming immer wettbewerbsintensiver, da Konzerne wie Amazon, Google und Microsoft in diese Kategorie investieren. Netflix hatte vor etwa zwei Jahren begonnen, langsam in den Markt vorzustoßen. Das Unternehmen kündigte damals auf einer Konferenz ein mobiles Spiel für Konsolen und PCs an, das auf der Netflix-Serie „Stranger Things“ basiert. Das Unternehmen wollte auch eine Spiele-Adaption des Netflix-Films „Der dunkle Kristall: Ära des Widerstands“ entwickeln. Im Aktionärsbrief aus dem Jahr 2019 identifizierte Netflix das Videospiel Fortnite als Konkurrenz.
Suche nach Wachstum
Die Gerüchte um einen Vorstoß ins Videospielgeschäft hatten sich in den vergangenen Monaten verstärkt. Im Mai hatte die auf die Technologiebranche fokussierte Publikation „The Information“ gemeldet, dass Netflix eine Führungskraft für das Gaming-Geschäft sucht. Im vergangenen Monat hatte zudem der Vorstandschef der auf die Unterhaltungs- und Medienbranche spezialisierten Investmentbank Liontree, Aryeh Bourkoff, offen über einen entsprechenden Schritt von Netflix spekuliert. „Wenn Amazon heute nur noch Bücher anbieten würde, würden die Leute abspringen“, sagte er. „Unternehmen müssen sich weiterentwickeln. Warum sollten Spotify oder Netflix nur Audio oder nur Video anbieten? Warum nicht auch Spiele? Warum sollten sie keinen Multi-Produkt-Ansatz haben, so wie es Amazon gemacht hat?“
Netflix hatte bereits in der Vergangenheit nach neuen Wegen gesucht, weiter zu wachsen, vor allem in gesättigten Märkten wie den USA. Dazu gehörte der Ausbau des Kinderprogramms, die Eröffnung eines Online-Shops für den Verkauf von Merchandising-Artikeln und die Verpflichtung des Starregisseurs Steven Spielberg, um mehr prestigeträchtige Filme in das Programm zu bringen. Das Unternehmen liegt zwar weiterhin deutlich vor Streaming-Konkurrenten wie Disney+, gewann aber im vergangenen Quartal weniger neue Abonnenten hinzu als erwartet. Konkurrenten wie Walt Disney oder Amazon haben derzeit keine Videospiele im Angebot.
Dagegen bieten einige der größten Technologieunternehmen zusätzlich zu ihren Videodiensten Spiele an. Apple hat eine Plattform namens Arcade für Spiele sowie einen TV+-Service für eigene Videoprojekte. Apple erhebt zusätzliche Gebühren für die Spiele. Eine Videospielangebot könnte es für Netflix einfacher machen, Preiserhöhungen zu rechtfertigen und bestehende Filme zu vermarkten.
Videospiele sind im Übrigen nicht der einzige neue populäre Bereich, in den Netflix vordringen will. In der vergangenen Woche stellte Netflix N’Jeri Eaton ein, eine ehemalige Managerin von Apple und des Radiosenders NPR. Eaton wird die erste Podcast-Chefin des Unternehmens.