CEO kündigt Abschied an

HSBC-Chef braucht Verschnaufpause

HSBC-Chef Noel Quinn hat überraschend angekündigt, sein Amt niederzulegen. Und schon werden in der City Fragen nach der künftigen Strategie laut.

HSBC-Chef braucht Verschnaufpause

HSBC-Chef braucht Verschnaufpause

Von Andreas Hippin, London

Der HSBC-Chef Noel Quinn hat überraschend seinen Rücktritt angekündigt. Er habe in seinen 37 Jahren bei der Bank eigentlich nie so richtig Pause gemacht, sagte er in einer Telefonkonferenz mit Journalisten. „Ich werde hart daran arbeiten, eine geordnete Nachfolge zu gewährleisten“, sagte Quinn. Seit vier Jahren steht er offiziell an der Spitze der britischen Großbank. Nachdem sein Vorgänger John Flint im Sommer 2019 abrupt verabschiedet worden war, hatte der ehemalige Chef der Sparte Global Commercial Banking aber bereits übergangsweise die Führung übernommen.

Suche nach dem Gleichgewicht

Nun wolle Quinn, der sich als knallharter Sanierer einen Namen machte, „ein besseres Gleichgewicht zwischen seinen persönlichen und seinen geschäftlichen Verpflichtungen finden“, sagte Chairman Mark Tucker. Quinn habe ihn bereits „früher in diesem Monat“ über seine Absichten informiert. Es gebe zwar keinen festgezurrten Zeitplan, aber im zweiten Halbjahr soll die Suche abgeschlossen sein. Mögliche Nachfolger drängen sich bislang nicht auf. Der Analyst Edward Firth nannte die Entscheidung Quinns „überraschend nach nur vier Jahren in der Rolle“, zumal er sieben Monate als Interimschef fungieren musste, um den Job zu bekommen. „Für uns sah es nie so aus, als ob er sich in der Rolle komplett wohlfühlen würde“, fügte er hinzu. Vermutlich sei die Pandemie eine „besonders brutale Zeit“ gewesen, wenn man an der Spitze eines internationalen Unternehmens wie HSBC gestanden habe.

Ping An dringt auf Talente aus Ostasien

Intern wäre Finanzchef Georges Elhedery, der seit 15 Monaten im Amt ist, der naheliegendste Nachfolger. Er fungierte zuvor als Co-Chef der Investment-Banking-Sparte Global Banking & Markets. Doch macht der chinesische Großaktionär Ping An seit einiger Zeit klar, dass aus seiner Sicht Talente aus der Region unterrepräsentiert seien, in der HSBC den größten Teil ihres Gewinns erwirtschaftet. Damit wächst die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mitglied der Kommunistischen Partei Chinas an die Spitze aufrückt.

Quinn hat fünf harte Jahre hinter sich. In die Amtszeit des Absolventen der Birmingham Polytechnic fielen nicht nur die Pandemie, sondern auch wachsende Spannungen zwischen Washington und Peking, denen sich das global aufgestellte Institut nicht entziehen konnte. Zudem litt der Welthandel, dessen Finanzierung zu den wichtigsten Geschäften von HSBC gehört, unter zunehmendem Protektionismus. Die „derzeitige Transformationsphase“ sei abgeschlossen, sagte Quinn. „Ich persönlich bin bereit für eine Veränderung.“ Er habe sich über die Weihnachtsfeiertage ein bisschen Zeit zur Reflexion genommen und darüber nachgedacht, was in den kommenden Jahren getan werden müsse, führte Quinn aus. Dabei sei ihm klar geworden, dass auch „die nächste Phase der Reise“ eine mehrjährige sein werde. „In diesem Job musst du 100%, wenn nicht 120% deiner Energie geben“, sagte er. Er habe noch Energie, wolle sie aber in andere Dinge investieren. Er wolle erst einmal „eine Verschnaufpause“ einlegen und Zeit mit seiner Familie verbringen.

Gutes Verhältnis zu Tucker betont

Quinn dankte Tucker nicht nur für die gute Zusammenarbeit, sondern auch für dessen Freundschaft. Man habe nur Meinungsverschiedenheiten gehabt, wenn es um Fußball ging. Tucker sei Chelsea-Fan, er selbst unterstütze Aston Villa. Er wolle seinem Nachfolger keine Vorgaben machen, sagte Quinn auf Nachfrage. Er habe in den vergangenen Jahren viele seiner Vorgänger getroffen, manche davon auch öfter. „Sie sind alle so freundlich gewesen, mir den Spielraum zu geben, der CEO zu sein, der ich sein wollte.“

„Sand im Getriebe“

Bei aller Einvernehmlichkeit der Trennung: „HSBC hat Sand ins Getriebe gestreut“, urteilte der Analyst Matt Britzman von Hargreaves Lansdown. „Veränderungen an der Unternehmensspitze sorgen normalerweise für ein Wobbeln, vor allem wenn sie unerwartet kommen. Das wirft Fragen dazu auf, wie sich die Strategie weiterentwickeln wird.“ Tucker stellte allerdings in der Telefonkonferenz klar, dass die Bank an der aktuellen Strategie festhalten wird.

Die Aktie verzeichnete Kursgewinne. Sie dürften nicht auf Quinns Wunsch nach einer Verschnaufpause zurückgehen, sondern auf die Ankündigung, für weitere 3 Mrd. Dollar Aktien zurückzukaufen.

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