Pierin Vincenz 65

Pierin Vincenz? Der Name des früheren Chefs der Schweizer Raiffeisen Gruppe sorgt nur noch sporadisch für Schlagzeilen in den lokalen Medien. Dann nämlich, wenn im Zusammenhang mit dem anstehenden Betrugsprozess neue Gerüchte oder Fakten publik...

Pierin Vincenz 65

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Pierin Vincenz? Der Name des früheren Chefs der Schweizer Raiffeisen Gruppe sorgt nur noch sporadisch für Schlagzeilen in den lokalen Medien. Dann nämlich, wenn im Zusammenhang mit dem anstehenden Betrugsprozess neue Gerüchte oder Fakten publik werden. Dies war zuletzt im November des vergangenen Jahres der Fall, als verschiedene Medien brisante Inhalte aus der nicht öffentlich einsehbaren Anklageschrift der Zürcher Staatsanwaltschaft veröffentlichten. In den Berichten war ausgiebig von Vincenz’ kostspieligen Ausflügen im Zürcher Rotlichtmilieu die Rede. Mit solchen Geschichten schafft es der einstmals beliebteste Banker der Schweiz noch immer in die obersten Plätze der Hitlisten einschlägiger Online-Portale.

Doch seither ist es um Pierin Vincenz wieder still geworden. So still, dass niemand weiß, wo der Banker heute gerade seinen 65. Geburtstag feiert. In seinen besten Zeiten war diese Information quasi ein öffentliches Gut. Vincenz wusste sich öffentlich zu inszenieren, wie dies zuvor kaum einem anderen Manager aus seinem Fach gelungen war. 2015 machte er seinen Rücktritt als CEO zu einer vorzeitigen Geburtstagsfeier, zu der rund 10000 Mitarbeitende der Genossenschaftsbank geladen waren. Im darauffolgenden Frühjahr stellte Vincenz vermutlich selbst sicher, dass er in den Wirtschafts­spalten der Schweizer Presse als heißester Kandidat für den Posten als Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung gehandelt wurde. Er zog in neue Verwaltungsräte ein und war bereit für die Krönung im dritten Lebensabschnitt.

Doch dann kam die Zäsur. Die von einzelnen Journalisten schon frühzeitig kolportierten Gerüchte, nach denen der Banker seine machtvolle Position als langjähriger Chef der größten Schweizer Hypothekenbank für seine eigenen finanziellen Interessen auszunutzen begann, verdichteten sich zusehends und führten alsbald dazu, dass die Zürcher Staatsanwaltschaft Ermittlungen einleitete. Diese gipfelten im vergangenen Jahr in einer Anklage, in der Vincenz und sein wichtigster Geschäftspartner des gewerbsmäßigen Betruges bezichtigt werden. Die beiden sollen ihre treuhänderische Verantwortung gegenüber Aktionären und Genossenschaftern missachtet haben, die sie in ihren führenden Positionen hätten übernehmen müssen. Vor allem aber sollen sie ihr fehlbares Handeln auf kriminelle Weise mit verdeckten Treuhandgeschäften und bestechungsähnlichen Provisionsvereinbarungen kaschiert haben. Das sind gravierende Anschuldigungen, auf die es im äußersten Fall eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren geben kann.

Wie der Prozess ausgeht, ist offen. Doch inzwischen hat die Öffentlichkeit zu viel über den Mann gelesen, als dass er seine einstige Popularität zurückgewinnen könnte. Die Ge­burtstage wird Vincenz so oder so auch künftig im kleinen Kreise feiern.