Politischer Spätzünder Walz will Vizepräsident werden
Politischer Spätzünder Walz will US-Vizepräsident werden
Von Peter De Thier, Washington
Bis vor wenigen Tagen war der Name Tim Walz (60) den meisten Amerikanern außerhalb seines Heimatstaats Minnesota völlig unbekannt. In fünf Monaten könnte der Gouverneur aber als nächster Vizepräsident der Vereinigten Staaten vereidigt werden. Zwar hat noch keine Nummer 2 jemals den Ausgang einer Wahl entschieden. Sicher erscheint aber, dass Walz der Harris-Kampagne zwei Wochen vor dem demokratischen Nominierungskonvent frischen Schwung verleihen wird.
Am Ende war klar, dass sich die demokratische Kandidatin entweder für Walz oder Josh Shapiro, seinen Amtskollegen aus Pennsylvania, entscheiden würde. Beide galten als kluge Wahl, da sie Harris helfen würden, in den kritischen „Swing States“ des Mittleren Westens ihre Position zu festigen. Walz bringt nun Eigenschaften mit ins Rennen, die Harris ideal positionieren, in den letzten drei Monaten das Duell mit dem republikanischen Spitzenkandidaten Donald Trump aufzunehmen.
Der Tausendsassa ist ein Spätzünder, der erst mit Anfang 40 ins politische Geschäft einstieg. Ihm haftet nicht das Etikett des Karrierepolitikers an, das viele Wähler im wichtigen Mittleren Westen abstößt. Walz wurde in einer ländlichen Gegend in Nebraska geboren, studierte an einer kleinen Uni Sozialwissenschaften und jobbte in der Landwirtschaft. Er ging freiwillig zur Nationalgarde und arbeitete 20 Jahre lang als Lehrer. Erst in einem Indianerreservat und dann in China, wo Walz seine Frau Gwen kennenlernte.
Wahlkämpfer für John Kerry
Interesse an der Politik entwickelte der zweifache Vater aber erst 2004 als freiwilliger Helfer bei der Präsidentschaftskampagne des Demokraten John Kerry. Von da ging es steil bergauf. 2006 wurde Walz als Repräsentant seines Heimatstaats Minnesota in den Kongress gewählt und fünfmal im Amt bestätigt. Seit 2019 führt der Soziologe in der Hauptstadt St. Paul die Regierungsgeschäfte. Ein Vorteil gegenüber seinem republikanischen Gegenspieler J.D. Vance besteht darin, dass der Republikaner teilweise sogar rechts von seinem designierten Chef Donald Trump positioniert ist.
Walz hingegen vertritt gemäßigte Ansichten, sowohl in ökonomischen als auch sozialen Fragen und bei dem Dauerstreit um das Immigrantenproblem. Während der globalen Finanzkrise stemmte er sich gegen das staatliche Rettungsprogramm für systemisch relevante Banken. Kritisch stand er auch den Staatshilfen für die Autoindustrie gegenüber. So forderte Walz die Obama-Regierung auf, sich von ihrer Beteiligung an den Autokonzernen wieder schnell zu trennen. Er unterstützte hingegen den American Recovery and Reinvestment Act, der während der Rezession durch Infrastrukturinvestitionen neue Arbeitsplätze geschaffen hat.
Kontrast zu J.D. Vance
Auch plädiert der Gouverneur für striktere Waffengesetze, die aber trotzdem das Recht der Bürger schützen würden, Schusswaffen zu besitzen. Walz unterstützt das Recht jeder Frau, frei über eine Abtreibung zu entscheiden. Er hat den Angriff auf Israel im vergangenen Oktober scharf verurteilt, fordert aber dennoch den humanitären Umgang mit Zivilisten in Gaza.
Der wichtigste Vorteil des Gespanns Harris-Walz könnte in dem Kontrast zwischen den beiden Kandidaten für die Vizepräsidentschaft bestehen. Walz gilt im Gegensatz zu der polarisierenden Figur Vance als bodenständige Frohnatur. Und zwar mit einem Lebenslauf, in dem viele Wähler des Mittleren Westens sich wiedererkennen. Diese hingegen hatten sich Trump und Vance schon in die Tasche gerechnet.