Soziale Netzwerke

Polizeigewahrsam für Telegram-Chef Durow verlängert

Die französische Justiz verdächtigt Telegram-Chef Pawel Durow, mangels Moderation auf seiner Nachrichten-App organisierte Kriminalität zu ermöglichen. Elon Musk und Moskau kritisieren Durows Verhaftung.

Polizeigewahrsam für Telegram-Chef Durow verlängert

Telegram-Chef Durow bleibt in Frankreich in Polizeigewahrsam

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Von Gesche Wüpper, Paris

Er sei das russische Pendant zu Elon Musk, urteilen Social Media-Experten. Denn wie der relativ neue Twitter-Besitzer weigert sich auch Pawel Durow im Namen der Meinungsfreiheit, bei der von ihm zusammen mit seinem Bruder Nikolai gegründeten Nachrichten-App Telegram moderierend einzugreifen. Dieses Prinzip ist längst zu einem wichtigen Wachstumsmotor von Telegram geworden. Denn dort haben neben zum Teil verfolgter Oppositionspolitikern auch von anderen Netzwerken verbannte Gruppierungen Zuflucht gefunden, von radikalen Verschwörungstheoretikern und Neonazis bis zuletzt rechtsextremistischen Randalierern in England.

Es ist jedoch auch diese Weigerung, moderierend einzugreifen, die jetzt zu Durows Festnahme in Frankreich geführt hat. Der 39-jährige Telegram-Chef wurde nach der Landung seines aus Aserbaidschan kommenden Privatjets auf dem Pariser Flughafen Le Bourget direkt von der Polizei abgeführt. Laut Informationen französischer Medien wurde der ursprünglich auf 24 Stunden angesetzte Polizeigewahrsam Sonntagabend schließlich auf 96 Stunden verlängert. Gegen den Milliardär sollen in Frankreich seit längerem Vorermittlungen laufen. Das auf die Bekämpfung schwerer Straftaten gegen Minderjährige spezialisierte Office mineur soll ihn verdächtigen, wegen mangelnder Moderation auf Telegram Straftaten wie Drogenhandel, Geldwäsche, Kinderpornografie, organisierte Kriminalität und terroristische Aktivitäten zu ermöglichen.

Die französische Justiz soll Durow außerdem vorwerfen, bei entsprechenden Ermittlungen nicht genügend zu kooperieren. Der Absolvent der Universität von Sankt Petersburg soll wegen der Vorermittlungen in Frankreich zur Personenfahndung ausgeschrieben gewesen sein, wobei diese tatsächlich erst aktiviert werden konnte, sobald er sich in Frankreich befand.

Vorschub für Verbrechen mangels Moderation?

Durow, der 2006 nach dem Studium zusammen mit seinem Bruder das von Facebook inspirierte soziale Netzwerk VKontakte gegründet hat, besitzt laut Wikipedia seit drei Jahren die Staatsangehörigkeit Frankreichs und der Vereinigten Arabischen Emirate. Seit 2017 lebt er in Dubai, wo sich auch der Firmensitz von Telegram befindet. Daneben hat Durow seit 2014 auch die Staatsbürgerschaft des karibischen Inselstaates St. Kitts und Nevis. Im selben Jahr hatte er seiner russischen Heimat den Rücken gekehrt, nachdem er sich geweigert hatte, Daten von ukrainischen Demonstranten herauszugeben und die Seite von Alexej Nawalny auf VKontakte zu blockieren.

Telegram selber verteidigt sich gegen die jetzt in Frankreich hervorgebrachten Vorwürfe. Alle geltenden Regeln würden eingehalten, erklärte die Nachrichten-App. Das gelte auch für das neue europäische Digital-Gesetz Digital Services Act (DSA), das Online-Plattformen verpflichtet, Nutzer besser vor Hass und Hetze zu schützen. Durow habe nichts zu verbergen und reise häufig in Europa, teilte Telegram mit. Außerdem sei es absurd, eine Plattform oder ihren Besitzer für den Missbrauch des Dienstes durch Dritte verantwortlich zu machen.

Wichtiger Test für das DSA-Gesetz

Für die Europäische Union sei die Durow-Affäre ein wichtiger juristischer und politischer Test, meint „Le Monde“. Denn sie sei in den letzten Jahren zum Meister der demokratischen Regulierung von Online-Plattformen geworden. Besonders Terrorismus und Desinformations-Kampagnen ausgesetzt, sei sie gezwungen, unter Einbehaltung der Rechtsstaatlichkeit wachsamer vorzugehen.

Elon Musk, aber auch Russland kritisierten das Vorgehen Frankreichs. Das Land werde zu einer liberalen Diktatur spottete Moskau. Die französischen Behörden seien aufgerufen worden, konsularischen Zugang zu Durow zu erlauben, sagte Russlands Außenamtssprecherin. 

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