Frankreichs neue Nationalversammlung

Ringen um die Spitzenpositionen im französischen Parlament

Die ersten Tage der neuen Legislaturperiode in Frankreich wurden von einem zähen Ringen um Schlüsselpositionen dominiert. Bei der Abstimmung über wichtige Posten ging es drunter und drüber. Ein Wahlgang musste wegen Unregelmäßigkeiten annulliert werden.

Ringen um die Spitzenpositionen im französischen Parlament

Französisches Parlament

Ringen um die Spitzenpositionen in der Assemblée

Abstimmung über Posten der stellvertretenden Vorsitzenden der Nationalversammlung muss wegen Unregelmäßigkeiten annulliert werden

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Von Gesche Wüpper, Paris

Der holprige Start gibt bereits einen kleinen Vorgeschmack darauf, was Frankreich in der neuen Legislaturperiode droht. An den ersten Tagen lieferten sich die frisch gewählten Abgeordneten der Nationalversammlung ein zähes Ringen um die wichtigsten Posten. So wollte Marine Le Pen vom rechtsradikalen Rassemblement Nationale (RN) mehrere Schlüsselpositionen für ihre Partei beanspruchen, darunter die der Vize-Präsidenten der Assemblée Nationale und die des Vorsitzenden der Finanzkommission. Zuvor hatte bereits die Suche des Linksbündnisses Nouveau Front Populaire (NFP) nach einem gemeinsamen Kandidaten für das Amt des Premierministers zahlreiche Spannungen zutage treten lassen.

Wie aus dem Freitag veröffentlichen Amtsblatt hervorgeht, ist der RN die Partei, die mit 126 Sitzen alleine auf die meisten Abgeordneten kommt. Insgesamt gibt es in der Nationalversammlung jetzt elf Fraktionen, so viele wie nie zuvor seit Bestehen der V. Republik. Dabei spaltet sich das Linksbündnis NFP, das insgesamt auf 193 Sitze kommt, in vier Fraktionen auf: Die Linksextremisten von La France Insoumise mit 72 Abgeordneten, die Sozialisten mit 66, die Grünen mit 38 und die demokratische und republikanische Linke mit 17.

Umstrittene Wahl

Das Regierungslager wiederum umfasst drei Fraktionen: Die von Renaissance in Ensemble pour la République umbenannte Partei von Präsident Emmanuel Macron mit 99 Abgeordneten, die Partei Horizons von Ex-Premierminister Edoaurd Philippe mit 31 Abgeordneten und die Zentrumspartei Demokraten mit 33 Abgeordneten. Die Republikaner wiederum haben sich nach dem Wahlbündnis ihres Parteivorsitzenden Eric Ciotti mit dem RN in zwei Fraktionen aufgespalten: die Droite Républicaine mit 47 Sitzen und Ciottis neue Partei A Droite mit 16 Abgeordneten.

Obwohl das Linksbündnis NFP als Lager über die meisten Abgeordneten verfügt, konnte es sich bei der Wahl des Vorsitzenden der Nationalversammlung nicht durchsetzen. Sein Kandidat, der kommunistische Abgeordnete André Chassaigne, unterlag im dritten Wahlgang knapp gegenüber der Kandidatin des Regierungslagers Yaël Braun-Pivet. Sie war bereits in der vorigen Legislaturperiode Präsidentin der Assemblée Nationale.

Abgeordnete des Linksbündnisses warfen dem Regierungsbündnis nach Braun-Pivets Wahl vor, die Demokratie zu verweigern. Seine Kandidatin habe nur dank der Unterstützung der Republikaner und Gemauschel gewonnen, kritisiert das NFP. So habe Präsident Macron den Rücktritt von Premierminister Gabriel Attal akzeptiert, lasse aber die Regierung weiter die Geschäfte führen. Dies ermögliche den Regierungsmitgliedern, sich jetzt an den Abstimmungen zu beteiligen. Dank ihrer Stimmen sei Braun-Pivet gewählt worden.

Falsche Stimmzettel

Während der Wahl herrschte eine merkwürdige Stimmung. Die Abgeordneten des Linksbündnisses weigerten sich, dem jungen Beisitzer des RN, der die Stimmabgabe überwachte, die Hand zu schütteln, wie es sonst üblich ist. Freitag dann kippte die Stimmung noch mehr. Eigentlich hätten sich die verschiedenen Fraktionen morgens einigen sollen, wer die Stellvertreter Braun-Pivets werden. Dabei sollte auch entschieden werden, wer Quästor und wer Vorsitzender der verschiedenen Ausschüsse der Nationalversammlung wird.

Da sich die Parteien nicht einigen konnten, sollten sie nachmittags über die Ämter abstimmen. Doch dann musste der erste Wahlgang für die Posten der stellvertretenden Präsidenten der Nationalversammlung am frühen Abend annulliert werden, weil es zu Unregelmäßigkeiten kam. So fanden sich in der Urne zehn Stimmzettel zu viel. Dabei handele es sich um einen Destabilisierungsversuch, beklagten mehrere Abgeordnete.

Damit nicht genug, denn auf dem vom RN gedruckten Wahlzetteln stand der Name von EU-Kommissar Thierry Breton und nicht der des konservativen Abgeordneten Xavier Breton, der für das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden der Nationalversammlung kandidierte. Man sich habe im Namen geirrt, weil es hätte schnell gehen sollen, entschuldigte sich die rechtsextreme Partei.

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