Von Norbert Hellmann, Schanghai

Beim chinesischen Videoplattformbetreiber Kuaishou Technology ist es zu einem überraschenden Revirement an der Führungsspitze gekommen. Das Gründerduo Su Hua (39) und Cheng Yixiao (37) gibt sich dabei gewissermaßen die Klinke in die Hand: Der bislang nicht nur als CEO, sondern auch im öffentlichen Auftritt absolut tonangebende Su zieht sich mit sofortiger Wirkung aus der operativen Geschäftsverantwortung zurück. Wie aus einer Mitteilung von Kuaishou hervorgeht, wird Su allerdings auch weiterhin als Chairman der Gesellschaft fungieren und sich dabei vor allem auf die langfristige Strategiegestaltung konzentrieren.

Nachfolger auf dem CEO-Posten bei Kuaishou ist Sus engster Weggefährte und Mitgründer der ersten Stunde Cheng Yixiao. Dieser hatte bislang als Chief Product Officer eher hinter den Kulissen Führungsverantwortung für Teile des operativen Geschäfts übernommen und sich vor allem auf die technologische Entwicklung des Internetkonzerns und Social-Media-Betreibers konzentriert.

Chinesische Marktbeobachter sprechen von einem Déjà-vu-Erlebnis, das an das Revirement bei dem vor allem für seinen Tiktok-Dienst bekannten chinesischen Technologiekonzern Bytedance erinnert. Dort hatte Gründer, CEO und Chairman Zhang Yiming im Mai dieses Jahres seine herausragende Führungsposition deutlich abgeschwächt, um sich auf den Chairman-Posten und die Rolle des strategischen Schrittmachers zurückzuziehen. Auch bei Bytedance war es mit Liang Rubo ein Mitgründer und engster Weggefährte, der den CEO-Posten übernahm.

Zuvor hatte bereits der Gründer und Chef des E-Commerce- und Social-Media-Anbieters Pinduoduo, Co­lin Huang, aus freien Stücken die operative Verantwortung abgegeben, um sich vor allem auf karitative Aktivitäten zu konzentrieren.

Der Erfolg von Kuaishou als einem der nutzerstärksten chinesischen App-Betreiber basiert ähnlich wie beim Gründerduo von Google, Larry Page und Sergej Brin, auf einer kongenialen Partnerschaft von zwei Tüftlern, die sich mit Geschäftssinn und Kompetenz im Umgang mit Al­gorithmen bestens ergänzen. Su ist kommunikationsgewandt und be­sitzt Führungsqualitäten, die ihn bislang für die Position des CEO zu prädestinieren schienen. Der zurückhaltende Cheng hingegen gilt eher als „Computer-Nerd“, der sich in virtuellen Welten am wohlsten fühlt und sich bei Kuaishou auf Technologie und Produktentwicklung fokussierte.

Was aber spricht für einen Rollentausch? Kuaishou scheint ähnlich wie Bytedance und Pinduoduo die Zeichen der Zeit erkannt zu haben, die die immer massivere Regulierungskampagne der chinesischen Regierung im Tech-Sektor mit sich bringt. Dabei sind insbesondere Multimilliardäre an der Spitze prominenter Tech-Konzerne unter Druck gekommen, sich bescheidener zu geben und auf das Gemeinwohl zu konzentrieren. So gesehen wird es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis der tatsächlich aus äußerst ärmlichen Verhältnissen stammende Su seine Hauptaufmerksamkeit der Langfrist-Strategie und damit auch der sozialen Verantwortung von Kuaishou widmen muss.