Zentralbankchefin Nabiullina

Russlands mächtigste Frau auf Rettungs­mission

Die Männer führen Krieg, und diese Frau muss es in der Heimat richten: Elvira Nabiullina bleibt Russlands mächtigste Frau. Dem Parlament hat die Zentralbankchefin erklärt, was der Wirtschaft bevorsteht.

Russlands mächtigste Frau auf Rettungs­mission

Von Eduard Steiner, zzt. Wien

Russlands mächtigste Frau, die ohnehin von zierlicher Gestalt ist, soll zu Beginn des Ukraine-Krieges blass wie die Wand gewesen sein. Und nachdem sie von den ersten westlichen Sanktionen erfahren hatte, soll Elwira Nabiullina gar ihren Rücktritt als Chefin der russischen Zentralbank eingereicht haben, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete. Das habe Präsident Wladimir Putin nicht akzeptiert.

Die Zentralbank dementierte das alles zwar. Aber dem Schock anderer Top-Leute aus der Wirtschaft nach zu urteilen ist es vollauf denkbar, dass Nabiullina, die dem wirtschaftsliberalen Lager zugerechnet wird, die Schnauze voll hatte. Zu oft hatte sie es schon für Putin richten müssen, wenn der ein außenpolitisches Manöver auf Kosten der Wirtschaft unternahm. Und nun muss sie die schwerwiegenden Folgen des seit Jahrzehnten größten – und vom Westen schwer sanktionierten – Manövers minimieren.

Die wichtigste Botschaft, die die 58-Jährige bei ihrem Rechenschaftsbericht am Donnerstag im Parlament kundtat, war: Russland stehe kein Bankrott bevor. „Russland hat alle nötigen Finanzressourcen. Uns droht keinerlei Staatsbankrott“, behauptete Nabiullina. USA und EU, die etwa die Hälfte der 640 Mrd. Dollar an im Auslands lagernden Fremdwährungsreserven der Zentralbank blockiert haben, haben einen baldigen Bankrott prophezeit.

Dass so viele Reserven eingefroren sind, gilt als schwerster Sanktionsschlag, auf den Moskau nicht vorbereitet war. In anderen Bereichen – Ausschluss vom Zahlungssystem Swift und Flucht der großen Kreditkartenanbieter – habe Russland mit eigenen Systemen den Schock abgewendet, sagte Nabiullina. In den vergangenen Jahren hatte sie selbst innerrussische Ersatzprodukte entwickeln lassen.

Grosso modo legte Nabiullina in der Duma nochmals dar, was sie vor wenigen Tagen umrissen hatte: Dass zwar der erste Schock der Sanktionen, der hauptsächlich den Finanzmarkt betroffen habe, abgefedert sei, nun aber ihre Auswirkungen auf die Wirtschaft zukämen. Diese könne nicht ewig von den verbliebenen Finanzreserven leben und müsse sich neu aufstellen. All das werde lange dauern. „Der strukturelle Umbau wird die Situation in der Wirtschaft für einige Quartale bestimmen“, sagte die Volkswirtin tatarischer Herkunft am Donnerstag. Alles in der Wirtschaft „wird jetzt Veränderungen durch­machen“.

Nabiullina selbst ist Veränderungen gewohnt. Nachdem die vormalige Wirtschaftsministerin 2013 die Leitung der Zentralbank übernommen hatte, durchforstete sie den diffusen und oft intransparenten Bankensektor und reduzierte die Zahl der Banken von 894 auf nun 368. Kurz nach der Krim-Annexion 2014 riss sie zur Abwendung eines Bank Run den Leitzins von 10,5 auf 17% hoch. Ganz auf Inflationsbekämpfung bedacht, senkte sie ihn in der Folge nur langsam auf 4,25% im Juli 2020. Kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs erhöhte sie ihn wegen der Sanktionen drastisch von 9,5 auf 20%. Aktuell steht er bei 17%.

Hoch auf die Privatwirtschaft

Mehr denn je steht Nabiullina nun vor dem Dilemma, die Inflation, die laut Wirtschaftsministerium 17,6% erreicht hat, zu bekämpfen und die Wirtschaft, die laut Rechnungshof-Präsident Alexej Kudrin um über 10% einbrechen wird, zu stimulieren. Im Parlament sagte sie, dass sie trotz Inflation eine Zinssenkung erwäge. Auch eine Prüfung der Devisenkontrollen kündigte sie an. Und zudem, dass Geld aus dem staatlichen Wohlfahrtsfonds direkt in die Wirtschaft fließen könne.

Dass sie der Privatwirtschaft das Wort redete, die unter Putin immer mehr zu Gunsten der Staatswirtschaft an Bedeutung verloren hat, ist zwar ein logisches Gebot der Stunde, aber für Putins Russland allemal bemerkenswert. „Man muss dem Unternehmertum – und zwar dem ganzen Unternehmertum – jetzt maximale Möglichkeiten geben, damit es Initiative an den Tag legt.“ Die Zentralbank müsse ihr Finanzsystem so anlegen, dass sie dem Bedürfnis der Firmen entspreche.

Die Rettungsmission dürfte dauern: Das Parlament hat Nabiullina für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt.

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