Safran-Chef Olivier Andriès: Diskret, aber einflussreich
Safran-Chef Andriès: Diskret, aber einflussreich
wü Paris
von Gesche Wüpper, Paris
Er habe sich für die Luftfahrtindustrie entschieden, weil sie Leidenschaft mit Innovationen und globaler Wirkung verbinde, sagte Olivier Andriès einmal über seinen Weg in die Privatwirtschaft. Die Entscheidung für die Luftfahrtindustrie dürfte er nie bereut haben, auch wenn er den französischen Triebwerkshersteller Safran während der Covid-Pandemie durch die schwerste Krise steuern musste, die die Branche je erlebt hat. Die Corona-Turbulenzen scheinen inzwischen jedoch fast vergessen.
2024 sei ein bemerkenswertes Jahr gewesen, erklärte Andriès jetzt, als er die Bilanz 2024 präsentierte. Bei Umsatz, operativem Ergebnis und Cashflow habe Safran neue Rekorde erreicht. So verbesserte sich der bereinigte Umsatz um fast 18% auf 27,3 Mrd. Euro, das bereinigte operative Ergebnis um 55% auf 4,13 Mrd. Euro. Das bereinigte Nettoergebnis wiederum legte 51% auf 3,07 Mrd. Euro zu, der freie Bargeldmittelzufluss von 2,95 Mrd. Euro auf 3,19 Mrd. Euro.
Konservative Ziele für Safran
Für 2025 hat der 62-jährige Safran-Chef die Prognosen im Vergleich zu denen vom Kapitalmarkttag im Dezember angehoben. Der in Dünkirchen aufgewachsene Manager peilt nun einen freien Cashflow von 3 bis 3,2 Mrd. Euro, ein laufendes Betriebsergebnis von 4,8 bis 4,9 Mrd. Euro und Umsatzwachstum von rund 10% an. Darin nicht berücksichtigt sind mögliche US-Strafzölle. Die Anhebung zeige nur, wie vorsichtig sich Safran zunächst gegeben habe, meinen Analysten. Auch die angehobenen Ziele seien noch immer konservativ, findet Ken Herbert von RBC.
Doch das Blaue vom Himmel zu versprechen, wäre auch nicht die Art des diskreten Safran-Chefs. Unterschätzen sollte man ihn deshalb nicht, denn er gehört zu den einflussreichsten Wirtschaftslenkern Frankreichs. Er schiene dafür vorprogrammiert zu sein, eines Tages einen großen Konzern zu leiten, urteilte „Les Echos", als er 2015 Chef der wichtigsten Safran-Sparte Aircraft Engines wurde. Andriès sei ein reines Produkt französischer Eliteschulen, eine Mischung aus Gemeinschaftsgeist und Leistungsgesellschaft.
Konsolidierung vorangetrieben
Tatsächlich hat Andriès einen für französische Top-Manager typischen Lebenslauf. Der Sohn eines Zahnarztes studierte nach einer sogenannten Vorbereitungsklasse zusammen mit anderen bekannten Firmenchefs wie Jean-Laurent Bonnafé (BNP Paribas) an den Kaderschmieden Ecole Polytéchnique und Ecole des Mines. Danach begann er zunächst im Schatzamt, bevor er ins Wirtschaftsministerium wechselte und dort die Privatisierungen von Konzernen wie Air France, Renault und Crédit Lyonnais miterlebte.
Mitte der 90er Jahre wechselte auch Andriès in die Privatwirtschaft, wo er bei der Lagardère-Gruppe als Strategiechef begann. Das seinerzeit in der französischen Industrie legendäre Unternehmen hat die Konsolidierung der europäischen Luft- und Verteidigungsindustrie maßgeblich mit vorangetrieben. Andriès etwa war für den Zusammenschluss der Lenkwaffen- und Satellitenaktivitäten der Lagardère-Tochter Matra mit denen von Dasa aus Deutschland verantwortlich, was den Grundstein für den inzwischen in Airbus umbenannten Luft- und Raumfahrtkonzern EADS legte.
Zulieferkette als Risiko
Für EADS war Andriès auf verschiedenen Spitzenpositionen tätig: Als Marketing-Chef, als Leiter der Langstreckenflugzeugprogramme und schließlich als Strategiechef. Nach der A380-Krise und dem Rücktritt des umstrittenen Airbus-Chefs Noël Forgeard warb Safran Andriès ab. Als stellvertretender Generaldirektor war er bei dem Triebwerkshersteller zunächst für die Strategie, dann für den Bereich Verteidigung, später für die Hubschraubermotoren- und die Triebwerkssparte zuständig, bevor er 2021 Generaldirektor der Gruppe wurde.
An Herausforderungen für Andriès mangelt es dort nicht. Zwar verbessere sich die Situation der Zulieferkette. Doch sie stelle noch immer das größte Risiko dar, warnt er.