SAP vor Zäsur: Ex-Deloitte-Chef soll Plattner 2024 ablösen
Von Sebastian Schmid, Frankfurt
Lange Beratungssitzungen haben ergeben, dass es an der Aufsichtsratsspitze von SAP offenbar einen Berater braucht. Der Walldorfer Softwarekonzern hat die seit Jahren offene Frage zur Nachfolge von Mitgründer Hasso Plattner an der Aufsichtsratsspitze beantwortet. Punit Renjen wird vom Aufsichtsrat zur Wahl als neues Mitglied des Gremiums nominiert, teilte der Dax-Konzern am späten Mittwochabend mit. Zugleich wird der 61-Jährige als designierter Nachfolger des seit zwei Jahrzehnten amtierenden Gremiumsvorsitzenden Plattner (79) vorgeschlagen. Spätestens mit dem Ende von Plattners Amtszeit im Mai 2024 soll Renjen übernehmen. Der Nachfolgeprozess zur Übergabe des Staffelstabs sei damit eingeleitet, hieß es. Als nächster Schritt wird sich Renjen den Anteilseignern auf der Hauptversammlung am 11. Mai 2023 zur Wahl stellen.
SAP bescheinigt Renjen eine herausragende Erfolgsbilanz. Der gebürtige Inder, der über ein Stipendium in den USA studiert hatte, sei somit ausgesprochen gut für den Aufsichtsrat qualifiziert und ein exzellenter Kandidat, um den Vorsitz zu übernehmen. Das gelte insbesondere in einer Zeit, in der SAP den grundlegendsten strategischen Wandel in seiner 50-jährigen Geschichte durchläuft. Renjen besitze wertvolle strategische Erfahrungen und Kenntnisse über die Bedürfnisse von Unternehmen in sich heutzutage schnell verändernden Umgebungen.
Tatsächlich bringt der gebürtige Inder sehr viel Erfahrung als Berater mit. Als er Mitte 2015 zum CEO von Deloitte aufstieg, hatte er bereits 28 Jahre in dem Unternehmen gearbeitet. In den siebeneinhalb Jahren unter seiner Leitung steigerte Deloitte den weltweiten Umsatz von knapp 35 Mrd. auf rund 59 Mrd. Dollar. Deloitte ist wie andere Beratungsgesellschaften auch ein enger Partner von SAP.
Plattner hatte SAP 1972 – gemeinsam mit Dietmar Hopp, Claus Wellenreuther, Klaus Tschira und Hans-Werner Hector – gegründet. Als Jüngster der Gruppe ist er letzter verbliebener Mitgründer im SAP-Aufsichtsrat, dessen Vorsitz er seit 2003 innehat. „Wir freuen uns sehr, Punit Renjen als neues Mitglied des SAP-Aufsichtsrats auf der Hauptversammlung im Mai 2023 für eine vierjährige Amtszeit vorzuschlagen. Damit wird ein strukturierter Übergang an der Spitze des Aufsichtsrats eingeleitet, der die notwendige Kontinuität für das weitere Wachstum unseres Unternehmens sichert“, lässt sich Plattner zitieren. Renjens „tiefgehendes Verständnis für die Bedürfnisse unserer Kunden und der gesamten Branche machen ihn zu einem idealen Kandidaten für den Vorsitz des Aufsichtsrats ab 2024“, fügte er an. Den Rücken kehren will Plattner seinem Lebenswerk aber nicht. „Als Investor mit einer unveränderten Beteiligung“ werde er sich weiterhin für SAP einsetzen.
Renjen zeigte sich „sehr erfreut, für eine Aufgabe bei SAP in Betracht gezogen zu werden“. SAP habe als Unternehmen für die globale Wirtschaft eine unübertroffene Bedeutung. Renjen gilt als herausragend vernetzt. Er ist Mitglied des Leadership Council des Weltwirtschaftsforums (WEF) und des International Business Council.
Nicht der erste Kandidat
Der mit seiner Familie im US-Bundesstaat Oregon lebende Renjen war aber offenbar längst nicht der erste Kandidat, den Plattner und der Aufsichtsrat für die Nachfolge im Blick hatten. „Erst wollten wir einen internen Kandidaten berufen, aber der Plan hat sich zerschlagen. Dann haben wir unter ehemaligen Vorständen wie Jim Hagemann Snabe gesucht, deren Amtszeit lange zurücklag, aber das hat auch nicht geklappt“, sagte Plattner dem „Handelsblatt“ am Donnerstag. Den Kontakt zu Renjen habe am Ende CEO Christian Klein hergestellt.
Neben Renjen werden sich zwei Kandidaten der Hauptversammlung im Mai 2023 zur Wiederwahl stellen: Jennifer Li (55), Gründerin und General Partner von Changcheng Investment Partners aus Peking, und Qi Lu (61), Gründer und Chief Executive Officer von Miracle Plus in Peking. Im Falle ihrer Wiederwahl würden ihre Amtszeiten 2027 enden. Die Amtszeit von Gesche Joost, die seit 2015 Mitglied des Aufsichtsrats ist, endet derweil mit der diesjährigen Jahreshauptversammlung.
Aufsichtsrat und Vorstand von SAP schlagen den Aktionären zudem eine Dividende von 2,05 Euro je Aktie für das Geschäftsjahr 2022 vor. Die Dividende entspricht gegenüber der regulären Dividende für 2021 einer Erhöhung um 10 Cent beziehungsweise 5%. Allerdings hatte SAP anlässlich des 50-jährigen Bestehens 2022 eine Sonderdividende von 50 Cent je Aktie ausgezahlt, so dass mit 2,45 Euro je Anteilschein mehr ausgeschüttet worden war. Vorbehaltlich der Zustimmung der Aktionäre und bei gleichem Bestand an eigenen Aktien würde die Gesamtausschüttung etwa 2,4 (i.V. 2,865) Mrd. Euro betragen. Dies entspricht einer Ausschüttungsquote von 140% (53%). Die Dividendenpolitik der SAP hat keine Obergrenze, sieht aber vor, mindestens 40% des Gewinns nach Steuern auszuschütten.