Airbus-Manager Scherer stemmt sich gegen Lieferengpässe
Flugzeugbau
Airbus-Manager Scherer
stemmt sich gegen Lieferengpässe
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Von Gesche Wüpper, Paris
Er gilt als ruhig und besonnen, als diplomatisch und weltläufig, ein Deutsch-Franzose, der in beiden Kulturen zu Hause ist. Diese Eigenschaften kommen Christian Scherer in seiner neuen Rolle als Chef der Flugzeugbausparte von Airbus zugute. Immerhin gehören zu den Kunden des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns, an dessen Spitze es in der Vergangenheit immer mal wieder zu deutsch-französischen Spannungen kam, Fluggesellschaften aus aller Welt.
Sollte Airbus am 15. Februar bei der Vorlage der Bilanz für 2023 tatsächlich wie von einigen Analysten vorhergesagt bessere Einnahmen und einen höheren Bargeldmittelzufluss als erwartet melden, so wird das auch Scherer zu verdanken sein. Denn der 1962 in Duisburg geborene und in Toulouse aufgewachsene Manager hat vergangenes Jahr als Verkaufschef der Sparte Commercial Aircraft Netto-Bestellungen für 2.094 Flugzeuge für Airbus eingesammelt und damit einen neuen Rekord aufgestellt.
In seiner neuen Funktion als Chef des mit Abstand wichtigsten Geschäftsbereichs von Airbus muss Scherer nun dafür sorgen, dass die Maschinen rechtzeitig an die Kunden ausgeliefert werden. Wie viele es in diesem Jahr sein sollen, will Airbus-Chef Guillaume Faury Donnerstag sagen. Der Flugzeugbauer sitzt zwar auf einem mehr als komfortablen Auftragsbestand für 8.599 Flugzeuge, doch er leidet wie die gesamte Branche unter Problemen in der Lieferkette. Der Mangel an Materialien und Teilen könnte die Produktion in diesem Jahr gefährden. Da Airbus die Produktion der A320-Mittelstreckenjets bis 2026 dennoch auf 75 Maschinen pro Monat steigern will, erwarten Scherer jede Menge Herausforderungen.
Komfortable Auftragslage
Damit nicht genug, denn gleichzeitig steht die Luftfahrtindustrie vor großen Umwälzungen, um bis 2050 wie versprochen klimaneutral zu werden. Airbus will deshalb 2035 sein erstes emissionsfreies Flugzeug auf den Markt bringen und bis dahin Wasserstoffantriebe an einer umgerüsteten A380 testen. Für die zweite Hälfte der 2030er Jahre hat Faury auch ein Nachfolgemodell für den A320 versprochen.
Scherer gibt sich dennoch optimistisch. „Die Luftfahrt hat bereits drei Revolutionen erlebt: Ein Objekt, das schwerer als Luft ist, zum Fliegen bringen, sicher zu fliegen und den Zugang zu Flugreisen zu demokratisieren“, sagte er kürzlich dem „Figaro“. Ihm gefalle die Idee, nun an der vierten Revolution, der Dekarbonisierung, beteiligt zu sein.
Dekarbonisierung - die vierte Revolution
Am 28. Oktober 1972 war Scherer bereits als Zehnjähriger dabei, als Airbus in Toulouse Geschichte schrieb. Damals hob der Prototyp des A300, des ersten Modells des europäischen Flugzeugbauers, zum Erstflug ab - mit Scherers Vater Günther als Flugversuchsingenieur an Bord. Scherer und seine Mutter verfolgten deshalb Start und Landung von der Dachterrasse eines alten Flughafenterminals aus.
Dass er dann später nach dem Studium an der Paris Business School ESCP und einem MBA an der Universität Ottawa in Kanada 1984 selber bei Airbus begann, war zunächst eigentlich nicht geplant. Denn eigentlich hatte Scherer noch einen Doktor machen wollen. Stattdessen stieg er relativ schnell zum Stellvertreter des legendären Airbus-Verkaufschefs John Leahy auf. Nach verschiedenen Stationen als Verkaufschef der Verteidigungssparte und als Strategiechef des Konzerns übernahm er 2016 schließlich die Leitung von ATR, dem Turboprop-Joinventure von Airbus und Leonardo.
Schneller Aufstieg bei Airbus
Kurz danach ging Leahy in den Ruhestand und Scherer wurde als möglicher Nachfolger gehandelt. Doch Airbus zog ihm zunächst den früheren Rolls-Royce-Manager Eric Schulz vor. Dieser nahm jedoch bereits nach acht Monaten wieder seinen Hut, so dass Scherer 2018 zum Zuge kam und Verkaufschef der Flugzeugbausparte wurde. Seit Januar leitet er nun die Sparte, der vorher Konzernchef Faury in Personalunion vorstand.
Christian Scherer, Leiter der Flugzeugsparte: Der Manager muss sicherstellen, dass Airbus trotz Mangels an Materialien und Teilen die Produktion bis 2026 kräftig steigern kann.