Flugzeugbauer Airbus

Scherer will Flugzeugbauer Airbus straffen

Christian Scherer leitet seit Anfang des Jahres die Zivilflugzeugsparte von Airbus. Sie bekommt nach wie vor Probleme in der Lieferkette zu spüren. Mit einem Sparplan will Scherer den Flugzeugbauer wieder auf das Kerngeschäft fokussieren.

Scherer will Flugzeugbauer Airbus straffen

Scherer will Flugzeugbauer Airbus straffen

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Gesche Wüpper, Paris

Wenn es eine Sache gibt, die Christian Scherer in seiner jetzigen Funktion nicht vermisst, sind es die vielen Geschäftreisen. „Ich bin viel mehr vor Ort und spreche viel mehr mit unseren Mitarbeitern“, sagt der Chef der Flugzeugbausparte von Airbus. Bis Ende letzten Jahres war er Verkaufschef des europäischen Flugzeugbauers. „Die ständige Reiserei mit den damit verbundenen Jetlags fehlt mir aber überhaupt nicht“, erklärt der 1962 in Duisburg geborene, aber in Toulouse aufgewachsene Manager. 

Scherer muss bei Airbus nicht nur dafür sorgen, dass die bestellten Flugzeuge pünktlich ausgeliefert werden. Er muss auch darüber wachen, dass die geplante Produktionshochfuhr gelingt. Um das zu erreichen, hat Airbus dem Betriebsrat gerade einen neuen Sparplan vorgestellt. Ziel ist, die Ressourcen auf die wichtigen Bereiche zu konzentrieren und dafür Mitarbeiter und Gelder von Projekten abzuziehen, die nicht vorrangig sind.

Auf das Kerngeschäft konzentrieren

„Es geht darum, unser Haus zu straffen, um uns auf unser Kerngeschäft zu konzentrieren, auf Produktion, Entwicklung, Verkauf und Support“, sagte Scherer der französischen Journalisten-Vereinigung AJPAE. „Wir haben nicht vor, einen Sozialplan zu lancieren.“ Laut Gewerkschaftskreisen hat der Flugzeugbauer bereits 5.500 Projekte identifiziert, die nicht essentiell sind. Details dazu wollte Scherer jetzt nicht nennen. 

Nach Angaben des Managers, der nach dem Studium an der Paris Business School ESCP und einem MBA an der Universität Ottawa in Kanada 1984 bei Airbus begonnen hat, könnte der Flugzeugbauer in der Verwaltung rationalisieren. In der Produktion dagegen sei man gut aufgestellt, findet er. 2022 und 2023 hat Airbus 26.000 neue Mitarbeiter eingestellt, nachdem während Covid viele Fachkräfte in den vorzeitigen Ruhestand gegangen sind. „Ich glaube nicht, dass wir in der Produktion zu schnell und zu viel eingestellt haben“, meint Scherer. „Die jungen Leute brauchen viel Zeit, bis sie richtig ausgebildet sind.“ 

Licht am Ende des Tunnels

Covid sei wie ein Krieg gewesen, aus dem Airbus zwar siegreich, aber geschwächt herausgekommen sei, erläutert der frühere Chef von ATR, dem Turboprop-Gemeinschaftsunternehmen von Airbus und Leonardo. „Und in diesem Zustand entscheiden wir, einen Marathon zu laufen“, sagt er mit Blick auf die geplante Produktionshochfuhr. Denn Airbus will die Produktion des Mittelstreckenjets A320, die während der Pandemie 2020 auf 40 Maschinen pro Monat eingebrochen war, bis 2027 auf 75 Exemplare monatlich steigern. Allerdings musste dieses Ziel bereits zwei Mal verschoben werden. 

Auslieferungszahlen enttäuschen

An dem geplanten Fahrplan habe sich nichts geändert, sagt Scherer. „Ich sehe bei der Produktion das Licht am Ende des Tunnels, aber das ist nicht bei allen Zulieferern der Fall.“ Deshalb hat Airbus im September auch nur 50 Flugzeuge ausgeliefert, so dass die Zahl der Auslieferungen in diesem Jahr nun 497 beträgt. Eigentlich will Airbus im Gesamtjahr auf 770 kommen, doch einige Beobachter bezweifeln inzwischen, dass das gelingen kann, obwohl das ursprüngliche Ziel von 800 Auslieferungen bereits gekappt wurde. „Ich gebe zu, dass die Auslieferungszahlen im September enttäuschend waren“, sagt Scherer. 

Probleme des US-Rivalen

Bis die Produktion wieder ein Niveau wie vor Covid erreichen wird, dürften laut Scherer noch zwei Jahre vergehen. „Ich denke, dass wir 2027/28 wieder eine Stabilität der Produktion wie vor Corona erreichen werden.“ Einen Normalzustand werde es aber niemals geben, philosophiert der Ex-Airbus-Strategiechef. „Bei 10.000 Zulieferern wird es immer das eine oder andere Problem geben.“

Dazu kommen die Probleme Boeings. Der US-Rivale hat mit einem Streik zu kämpfen und hat angekündigt, 17.000 Stellen abbauen zu wollen. Boeings Probleme träfen eine geschwächte Lieferkette, sagt Scherer. „Der extremste Fall davon hat sich bereits mit Spirit offenbart.“ Boeing will daher die 2005 abgespaltene Tochter wieder übernehmen. Da sie auch wichtiger Zulieferer von Airbus ist, will der europäische Konzern Werke in Belfast (Nordirland) und Kinston (USA) für 1 Euro kaufen. Das soll 2025 abgeschlossen sein. Um die Produktion in Belfast und Kinston zu stabilisieren, hat Airbus ein Dutzend Mitarbeiter dorthin entsendet.

Weichenstellung für die Zukunft

Auch andere Zulieferer, die nach Covid in Schwierigkeiten geraten sind, unterstützt Airbus personell. Rund 100 Mitarbeiter sind nach Angaben Scherers dafür abgestellt. „Gelegentlich helfen wir auch finanziell“, sagt er. Laut einer vertraulichen Studie der Banque de France, die das Fachmagazin „Usine Nouvelle“ kürzlich enthüllte, besteht für 40 große Zulieferer von Airbus und dem Triebwerkshersteller Safran ein Ausfallrisiko. 

Für Airbus geht es jetzt nicht nur darum, die Produktion wie geplant jedes Jahr um 10% bis 15% zu steigern, sondern auch darum, die Zukunft vorzubereiten. Bereits 2025 will der Flugzeugbauer technologische Entscheidungen für die neue Generation der Single-Aisle-Maschinen treffen, die er für Mitte der 2030er Jahre versprochen hat. Airbus will 2035 aber auch sein erstes emissionsfreies Flugzeug auf den Markt bringen. Es sei jedoch noch zu früh, um sagen zu können, ob bei dem künftigen Single-Aisle-Programm ein Open-Fan-Triebwerk eingesetzt werden wird oder nicht, sagt Scherer. Es sei sehr vielversprechend, aber es müsse sich noch zeigen, wie der Open Fan in eine Flugzeugzelle integriert werden könne. 

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