Misstrauensvotum

Schwede Löfven stürzt über Mietenstreit

Ein politischer Streit über den Wohnungsmarkt in Schweden hat Ministerpräsident Stefan Löfven das Amt gekostet. Er stürzte über eine von der Opposition initiierte Misstrauensabstimmung. Wie es nun weitergeht.

Schwede Löfven stürzt über Mietenstreit

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Ein politischer Streit über den Wohnungsmarkt in Schweden hat im Sturz der Regierung gegipfelt. Der sozialdemokratische Ministerpräsident Stefan Löfven verlor am Montagvormittag eine von der Opposition initiierte Misstrauensabstimmung. Löfven führt seit einer zähen Regierungsbildung im An­schluss an die Parlamentswahl 2018 eine Minderheitsregierung mit den Grünen, die auf die Unterstützung mehrerer Parteien von Mitte-rechts bis zur Linkspartei angewiesen ist. Der Regierungschef muss nun innerhalb einer Woche entscheiden, ob er einen neuen Anlauf für eine Regierungsbildung nehmen oder Neuwahlen ansetzen lassen will.

Die Regierungskrise ist für die Skandinavier eine Zäsur, die zu­gleich über Schweden hinaus die zunehmende politische Brisanz des Themas bezahlbares Wohnen verdeutlicht. Zwar sind Minderheitsregierungen mit wechselnden Mehrheiten in Schweden keine Seltenheit. Dass eine solche durch ein Misstrauensvotum mitten in der Legislaturperiode zu Fall gebracht wird, ist hingegen eine Premiere. Hintergrund ist eine geplante Reform am Wohnungsmarkt. Nach den Plänen der Regierung sollen Vermieter künftig bei Neubauten den Mietpreis frei bestimmen können. Bisher sind Eigentümern bei der Festsetzung der Mietpreise enge Grenzen gesetzt. Für Bestandsimmobilien soll dies den Plänen zufolge auch künftig gelten.

Auch in Deutschland beschäftigt das Thema Wohnungspolitik seit Jahren Politik und Gerichte, wenngleich unter entgegengesetzten Vorzeichen: Die seit 2015 geltende Mietpreisbremse soll sicherstellen, dass Neumieten für Bestandswohnungen vor allem in Metropolregionen nicht ins Uferlose steigen. Einen vom Berliner Senat beschlossenen Mietendeckel hat das Bundesverfassungsgericht unlängst mit Verweis auf die bundesweite Mietpreisbremse gekippt. Das hat wiederum Kampagnen zur Enteignung von Wohnungskonzernen wie Deutsche Wohnen und Vonovia befeuert. Auch im nahenden Bundestagswahlkampf dürfte das Thema eine Rolle spielen.

Boom der Immobilienpreise

Befeuert werden die Debatten vom unaufhaltsamen Anstieg der Immobilienpreise – vor allem in Schweden. Dort haben die Häuserpreise auf Jahressicht um etwa ein Fünftel und damit so stark wie nie zugelegt, zeigen einschlägige Statistiken. Auch die Preise für Apartments steigen zweistellig. Das Vorhaben, Mietpreise für Neubauten künftig vom Markt bestimmen zu lassen, treibt Löfvens Regierung bereits seit mehr als zweieinhalb Jahren um. Es war ein Zugeständnis des Ministerpräsidenten an die beiden Parteien aus dem bürgerlich-liberalen und bürgerlich-konservativen Lager, damit diese seine Minderheitsregierung mit den Grünen tolerieren. Für die Linkspartei, auf deren Unterstützung Löfven für den Fortbestand seiner Koalition mit den Grünen ebenfalls angewiesen ist, kommt eine Abkehr vom „schwedischen Weg“ am Wohnungsmarkt dagegen unter keinen Umständen infrage, weil sie Nachteile für Mieter fürchtet.

„Sehr schwierige Lage“

Regierungschef Löfven warf der Linkspartei am Montag vor, gemeinsame Sache mit der „extremen Rechten“ zu machen, ohne zuvor mit der Regierung nach einem Kompromiss gesucht zu haben. Das Misstrauensvotum kam auf Betreiben der rechtspopulistischen Schwedendemokraten zustande. Neben Linkspartei und Schwedendemokraten entzogen bei der Abstimmung im Parlament auch die Mitte-rechts-Parteien Moderaterna und Christdemokraten mit insgesamt 181 Stimmen – sechs mehr als nötig – Löfven das Vertrauen.

Wie es bis zur regulären Wahl im September 2022 weitergeht, ist völlig offen. Die Chefin der Linkspartei, Nooshi Dadgostar, kündigte laut der Nachrichtenagentur Reuters an, eine Regierung unter Führung der Schwedendemokraten verhindern zu wollen. Obwohl ihre Partei gegen Löfven gestimmt habe, werde sie aber niemals einer rechtsnationalistischen Regierung zur Macht verhelfen, sagte Dadgostar. Ministerpräsident Löfven erinnerte in einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz mehrmals daran, dass die Regierungsbildung ursprünglich mehr als vier Monate gedauert hatte. Das Land befinde sich in einer „sehr schwierigen politischen Lage“, sagte Löfven.