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Sechs Dax-Konzerne wechseln Aufsichtsratschef

Von Joachim Herr, München Börsen-Zeitung, 18.7.2020 An der Spitze der Aufsichtsräte im Dax bewegt sich viel. Fünf Wechsel gab es seit einem Jahr schon, einer steht noch an. "Diese überdurchschnittlich hohe Anzahl führt zu einer gewissen Verjüngung...

Sechs Dax-Konzerne wechseln Aufsichtsratschef

Von Joachim Herr, MünchenAn der Spitze der Aufsichtsräte im Dax bewegt sich viel. Fünf Wechsel gab es seit einem Jahr schon, einer steht noch an. “Diese überdurchschnittlich hohe Anzahl führt zu einer gewissen Verjüngung dieser zentralen Führungsaufgabe”, stellt Nicolas von Rosty im Gespräch mit der Börsen-Zeitung fest. Er leitet als Managing Partner des Personalberaters Heidrick & Struggles im deutschsprachigen Gebiet die Kandidatensuche für CEO- und Aufsichtsratsposten.Auf Nummer sicher gehen die Unternehmen nach von Rostys Meinung bezogen auf die Auswahl von Aufsichtsräten: “Die neuen Besetzungen folgen im Wesentlichen den üblichen Mustern.” Das heißt, gefragt seien immer mehr ehemalige CEOs und Vorstände. Wegen der zweijährigen Abkühlphase sind das aber inzwischen weniger Spitzenmanager desselben Unternehmens. Der Personalberater erwartet, dass sich dieser Trend noch verstärkt.Entscheidend dafür, dass ehemalige Vorstände bevorzugt werden, ist nach seiner Erfahrung diese Überlegung: “Ziel ist es, dass den Vorständen Aufsichtsräte auf Augenhöhe gegenüberstehen, die zu höchst professionellen Diskussionen beitragen.” Denn die Aufsichtsräte würden immer stärker in Strategiediskussionen einbezogen.Diese Entwicklung erschwere jedoch eine Diversifizierung mit Frauen, sagt von Rosty. Da es immer noch recht wenige Managerinnen auf dem Posten eines Vorstandsvorsitzenden oder Finanzvorstands gab und gibt, fehlt es unter diesem Aspekt an Kandidatinnen. Allenfalls Erfahrungen auf dem Gebiet der Digitalwirtschaft machen dieses vermeintliche Manko bisweilen wett, wie von Rosty feststellt. Verjüngt um 22 JahreBestes Beispiel für die Verjüngung an der Aufsichtsratsspitze ist Adidas. Der Sportartikelkonzern steht vor einem Generationswechsel: Nach der Hauptversammlung am 11. August soll der 54 Jahre alte Bertelsmann-Vorstandschef Thomas Rabe Igor Landau (76) ersetzen. Der Franzose und ehemalige Vorstandschef von Aventis leitet seit 2009 das Kontrollgremium von Adidas. Fünf andere Wechsel sind schon vollzogen: Kurt Bock (62) löste im BASF-Konzern Jürgen Hambrecht (73) ab – allerdings mit reichlich Kritik und Gegenstimmen von Aktionären, weil Bock Vorstandsvorsitzender von BASF war.Bayer dagegen hat mit dieser Tradition gebrochen und entspricht dem Trend, den von Rosty beobachtet: Der neue Aufsichtsratsvorsitzende Norbert Winkeljohann (62), der Werner Wenning (73) abgelöst hat, war Europa- und Deutschlandchef des Wirtschaftsprüfers PwC. Sozusagen Externe leiten auch den Aufsichtsrat der Deutschen Börse – Martin Jetter, Jahrgang 1959, nach Joachim Faber (70) – und den von Infineon – Wolfgang Eder (68) nach Eckart Sünner, Jahrgang 1944. Den sechsten Wechsel im Dax vollzog Wirecard: Thomas Eichelmann (55) folgte im Januar als Aufsichtsratsvorsitzender Wulf Matthias, Jahrgang 1944. Nach dem mutmaßlichen Milliardenbetrug und der Insolvenz sind die Tage des Zahlungsdienstleisters in der Oberklasse der deutschen Börse allerdings gezählt. “Der Elan hat nachgelassen” Ernüchternd fällt von Rostys Bilanz in Sachen Aufsichtsrätinnen aus. Zwar liege für Suchaufträge an Personalberater das Kriterium “weiblich” an erster Stelle – noch vor Erfahrungen im obersten Management und mit der Digitalwirtschaft. “Doch der Elan, Frauen in Aufsichtsräte zu berufen, den die Quote ausgelöst hat, hat nachgelassen”, sagt von Rosty. Die Anzahl von Frauen in den Dax-Aufsichtsräten sei in der diesjährigen Hauptversammlungssaison gerade einmal von 81 auf 85 und damit von 32 auf 33 % gestiegen.Ähnlich sieht es mit der Internationalität aus: 86 (i. V. 85) Aufsichtsräte sind nicht in Deutschland geboren. Ihren Anteil von einem Drittel, von denen eine größere Zahl aus Österreich stammt, hält von Rosty für zu gering. Sein Fazit: “Langjährige Trends zu mehr Frauen und Ausländern in den Gremien werden nur zögerlich weiterverfolgt.” Als lobenswerte Ausnahmen nennt er SAP und Beiersdorf.