So tickt der neue Roche-Präsident
Von Daniel Zulauf, Zürich
Überraschend und schnörkellos hat der Basler Pharmakonzern Roche am Donnerstag seine Chefetage neu bestellt. Der langjährige CEO Severin Schwan rückt auf der nächsten Generalversammlung im März 2023 zum Verwaltungsratspräsidenten und Nachfolger von Christoph Franz auf. Thomas Schinecker, der seit 2019 die Diagnostik-Sparte leitet, wird CEO.
Die Mutationen passen perfekt zum Stil und zur Tradition des familienbeherrschten Multis. „Wie in der Vergangenheit sind wir in der Lage, die Nachfolge des Präsidenten und des CEO mit exzellenten Führungskräften aus dem Kreis von Roche zu besetzen. Das ist eine große Qualität unseres Unternehmens“, schreibt André Hoffmann, Vizepräsident und Sprecher der Familienaktionäre, in der Medienmitteilung.
Das Interregnum des früheren Lufthansa-Chefs Franz war quasi nötig geworden, weil sich 2008 auch Roche veranlasst sah, mit der damaligen Tradition zu brechen, die Rollen des Verwaltungsratspräsidenten und des operativen Konzernlenkers durch ein und dieselbe Person zu besetzen. Severin Schwan war erst gerade 40 Jahre alt, als er Franz Humer 2008 in dessen Funktion als CEO beerbte. Sechs Jahre später gab Humer seinen Präsidentenposten auf, und Schwan war auch dann noch lange nicht bereit für den reinen Aufsichtsjob. Nun aber hat der gebürtige Österreicher, der seit zweieinhalb Jahren auch den Schweizer Pass besitzt, die nötige Reife offenbar erlangt.
Schwan war erst der siebte Konzernchef in der 125-jährigen Geschichte von Roche. Das sagt schon fast alles darüber, was die Eigner von ihren Chefmanagern erwarten: Weitsicht, Ausdauer und vor allem ein hohes Maß an Loyalität. Diese Eigenschaften billigen sie dem inzwischen 54-jährigen Schwan offensichtlich zu. Als Verwaltungsratspräsident übernimmt er die Scharnierfunktion zwischen den Aktionärsfamilien und der operativen Führung.
Der gelernte Betriebswirt und promovierte Jurist steht seit seinem 26. Lebensjahr im Dienst von Roche. Er hat sich Schritt für Schritt vom Trainee hochgedient und 2006 die Gesamtverantwortung für die Diagnostik-Sparte erhalten. Seine Liebe zum Detail mag ihm bisweilen als Schwäche ausgelegt werden. Aber dem stets unprätentiös auftretenden Manager wird auch Interesse an einer Vielfalt von gesellschaftlich relevanten Themen attestiert, was im ständigen Dialog mit den teilweise philanthropisch orientierten Aktionärsfamilien kein Nachteil sein dürfte. Auch die deutsche Muttersprache dürfte erheblich für die Wahl Schwans gesprochen haben. Im altehrwürdigen Sitzungszimmer des Roche-Verwaltungsrates wird auch in diesen Zeiten noch primär Deutsch gesprochen. Der dreifache Familienvater kann sich sicher sein, dass ihm in seiner neue Rolle viel Wohlwollen zufliegt. Thomas Schinecker, der Schwan als CEO beerben wird, ist auch schon seit 19 Jahren für Roche tätig. Dabei ist der promovierte Molekularbiologe erst 47 Jahre alt. Er avancierte 2019 zum Chef der Diagnostik-Sparte. Die erfolgreiche Bewältigung der Covid-19-Krise, in der sich Roche als einer der wichtigsten Anbieter von Coronatests weltweit profilieren konnte, dürfte Schineckers Gesellenstück gewesen sein.