Spacs ziehen auch ehemaligen Allianz-Vorstand an
Von Joachim Herr, München
Dieter Wemmer ist recht spät dran. Erst jetzt springt auch der frühere Finanzvorstand der Allianz auf den mit schon hohem Tempo fahrenden Zug der Spacs. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Bloomberg sucht er, unterstützt von der Private-Equity-Firma Nazare Capital, via Börsenmantel Übernahmeziele in der Versicherungswirtschaft. Im Mai könnte es an der Börse in Amsterdam mit rund 250 Mill. Euro losgehen.
Wemmer (64) ist nicht der erste prominente Manager der Finanzszene, der sein Wissen und seine Erfahrung für Special Purpose Acquisition Companies (Spacs) nutzen will. Auch Martin Blessing, früherer Vorstandsvorsitzender der Commerzbank, sowie die ehemaligen Chefs von Unicredit, Jean Pierre Mustier, und von Credit Suisse, Tidjane Thiam, versuchen ihr Glück damit.
Spät im Zyklus
Der Hype um die Übernahmevehikel per Blankoscheck ist fortgeschritten, vielleicht sogar schon auf dem Höhepunkt. Die Begeisterung der institutionellen Investoren lässt angesichts des stark gewachsenen Angebots jedenfalls nach. Auch weil die Bewertungen der Übernahmeziele in der Spätphase des Zyklus gewaltige Höhen erklommen haben. Die Lust auf diese Anlageform mindern zudem Regulierungsbehörden wie die SEC in den USA, die mittlerweile einen schärferen Blick auf die Spacs werfen.
Den schwieriger gewordenen Bedingungen kann Wemmer seine tiefe Branchenkenntnis entgegensetzen. Geschäftsmodelle von Insurtechs dürfte er mit seinem Sachverstand gut beurteilen können. Nach 30 Jahren in der Versicherungsbranche, bis 2011 für die Zurich und von 2012 bis 2017 für die Allianz, ist Wemmer exzellent vernetzt. Auch danach ließ der promovierte Mathematiker seine Kontakte in die Finanzbranche nicht abreißen. Schon seit 2016 ist er im Verwaltungsrat der UBS und dort mittlerweile in drei Ausschüssen. Zwei Jahre später wurde er ins Aufsichtsgremium des nordeuropäischen Energiekonzerns Ørsted (früher Dong Energy) gewählt.
Engagement auf Malta
Außerdem ist Wemmer Vorsitzender des Verwaltungsrats von Marco Capital mit Sitz auf Malta. Das Unternehmen bietet sogenannte Run-off-Lösungen in der Schaden- und Unfallversicherung an. Im August des vergangenen Jahres kündigte Wemmer in einer Mitteilung des Unternehmens an, Marco werde sich „als professioneller Marktteilnehmer von hoher Integrität und mit ausreichendem Kapital aufstellen“. Und er warb auch für sich: „Als früherer Verkäufer von Reserven an Run-off-Unternehmen kenne ich den Bedarf an höchst professionellen und gut mit Kapital ausgestatteten Kontrahenten.“
Dickicht gelichtet
Ende 2017 hatte der damals 60-jährige gebürtige Kölner die Allianz verlassen. Giulio Terzariol übernahm das Finanzressort. Wemmers entscheidendes Verdienst war zweifellos, das Interesse und das Verständnis des Kapitalmarkts für den Versicherungskonzern gesteigert zu haben. Er war die treibende Kraft für den Anstieg der Dividenden auf ein stattliches Niveau und für den Einstieg in Aktienrückkäufe. Der Aktienkurs verdoppelte sich in seinen sechs Jahren als Finanzvorstand. Zudem verstand es Wemmer, das Zahlendickicht der Allianz zu lichten und nach außen für mehr Transparenz zu sorgen. Das hinterließ er seinem Nachfolger.
Seit Wemmers Abschied von der Allianz sind gut drei Jahre vergangen. Mit seinen Mandaten in Verwaltungsräten verweigerte er sich seitdem einem Ruhestand. Nun kommt das Spac-Engagement hinzu – als Executive Chairman wird er sogar wieder operativ tätig.