Wirecard-Skandal

Strafermittler dringen auf Auslieferung von Jan Marsalek

Die Staatsanwaltschaft München will, dass die russische Justiz den in Moskau untergetauchten früheren Wirecard-Vorstand Jan Marsalek an Deutschland ausliefert. Die Chance dafür ist aber derzeit gering.

Strafermittler dringen auf Auslieferung von Jan Marsalek

sck

– Der vermutlich in Moskau untergetauchte frühere Wirecard-Vorstand Jan Marsalek soll nach Deutschland ausgeliefert werden. Darauf arbeitet die Staatsanwaltschaft München hin, die den 42-Jährigen seit den aufgeflogenen mutmaßlichen kriminellen Machenschaften beim Zahlungsabwickler (Juni 2020) mit internationalem Haftbefehl suchen lässt. Nach Informationen von „Bild“ sollen die Strafermittler aus der bayerischen Landeshauptstadt ein Rechtshilfeersuchen an die russische Regierung gestellt haben. Das Blatt beruft sich dabei auf „Regierungskreise“ in Berlin. Ziel der Justizbehörde ist, auch des flüchtigen Tatverdächtigen habhaft zu werden. Im Rahmen eines sogenannten Inhaftnahmeersuchens bemühen sich die Ermittler darum, dass die russische Justiz Marsalek aus seinem Versteck holt, ihn festnimmt und danach an Deutschland ausliefert.

Für die deutsche Justiz dürfte es allerdings schwierig werden, Marsalek tatsächlich in ihre Hände zu bekommen. Zwischen Moskau und Berlin besteht kein Auslieferungsabkommen. Die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen sind seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine auf einem Tiefpunkt. Erst ein Machtwechsel im Kreml könnte Bewegung in die Causa Marsalek bringen.

Kurz vor Ostern wurde bekannt, dass sich der Österreicher mit tschechischen Wurzeln in der russischen Hauptstadt mit Unterstützung des Inlandsgeheimdienstes FSB aufhalten soll (vgl. BZ vom 12. April). Seit seiner Flucht im Frühsommer 2020 nach Minsk wurde vermutet, dass dieser sich in Belarus beziehungsweise Russland versteckt hält. Der Bundesnachrichtendienst soll über Marsaleks Aufenthaltsort zuletzt informiert gewesen sein, heißt es.

Marsalek werden Kontakte in Osteuropa zu Agenten und dubiosen Geschäftsleuten nachgesagt. Er und Markus Braun (53) gehören zu den Hauptverdächtigen in dem Wirtschaftskrimi um den einstigen Dax-Aufsteiger. Mitte März dieses Jahres hatten die Münchner Strafermittler gegen den ehemaligen Wirecard-Vorstandschef und zwei weitere Be­schuldigte Anklage erhoben (vgl. BZ vom 14. März). Die Staatsanwälte werfen ihnen gewerbsmäßigen Bandenbetrug, Untreue, unrichtige Darstellung und Marktmanipulationen in mehreren Fällen vor.

Braun sitzt seit Juni 2020 in Untersuchungshaft. Der Zahlungsabwickler aus Aschheim bei München war nach der Aufdeckung eines Finanzlochs von rund 1,9 Mrd. Euro und anderen Luftbuchungen zusammengebrochen. Brauns früherer Vertrauter Marsalek konnte sich Festnahme, Untersuchungshaft und Anklage bislang durch Flucht entziehen.