Studienprojekt steigt in erste Start-up-Liga auf
Von Stefan Paravicini, Berlin
Begonnen hat die Geschichte des Münchner Softwareunternehmens Celonis, das gerade die bisher größte Finanzierungsrunde eines mit Venture Capital finanzierten Unternehmens in Deutschland abgeschlossen hat und dabei als erstes deutsches Start-up eine Bewertung von mehr als 10 Mrd. Dollar erzielt hat, vor zehn Jahren als Studienprojekt an der Technischen Universität München (TUM). „Ich war 21 Jahre alt und wir haben ein Projekt mit einem Münchner Unternehmen gemacht, mit dem Ziel, ihre IT-Prozesse zu verbessern“, erinnerte sich der in Berlin aufgewachsene Alexander Rinke, einer der drei Firmengründer und Co-CEO von Celonis, im Sommer des vergangenen Jahres im Gespräch mit dem US-Investor Matt Truck.
Statt das Projekt im Rahmen des Curriculums nur abzuhaken, knieten sich Rinke und seine Mitstreiter Martin Klenk und Bastian Nominacher richtig in das Unternehmen und seine Probleme rein, erzählt der Mathematiker. Die drei Studenten organisierten Workshops im Unternehmen und versuchten Verbesserungspotenziale zu identifizieren. „Irgendwann haben wir festgestellt, dass das alles sehr ineffizient ist. Wir haben mit all diesen Leuten gesprochen und alle haben uns etwas anderes erzählt.“ Auf der Suche nach einer belastbareren Methode, die Prozesse eines Unternehmens zu bewerten, erinnerten sich die drei an ein Seminar im Verein Academy Consult, einer studentischen Unternehmensberatung, zum Thema Process Mining, eine damals noch junge Technologie. Dabei geht es um die digitalen Spuren wie die Verbindungsdaten von Telefondaten, die ein Geschäftsprozess in einem IT-System hinterlässt. „Wir hatten die Idee, eine Art Röntgengerät für das Unternehmen zu bauen.“
Die Idee für Celonis war geboren. An die Gründung einer Firma dachte damals aber noch keiner. Erst als der CIO des Unternehmens, mit dem Rinke und seine späteren Co-Founder im Rahmen des Studentenprojekts gearbeitet hatten, der erste Kunde werden wollte, musste auch eine Firma her. Der erste Name war Simulitix. „Ein fürchterlicher Name“, sagt Rinke heute. Von ihrem ersten Kunden wurde das Unternehmen dennoch schnell weiterempfohlen.
Einen weiteren Meilenstein erreichte Celonis bei einem Heimatbesuch von Rinke in Berlin. Denn schnell erkannten die Gründer, dass die meisten Transaktionsdaten, die ihre Firma für die Röntgenbilder von Unternehmensprozessen benötigt, über die Infrastruktur von SAP laufen. „Hey, ich komme für einen Besuch nach Hause“, ließ Rinke deshalb seine Eltern wissen und fügte gleich hinzu: „Ich kann nicht lange bleiben, aber ich muss mit Hasso Plattner sprechen.“ Der SAP-Gründer und Aufsichtsratschef hielt im Hasso-Plattner-Institut in Potsdam eine öffentliche Vorlesung. „Er hat es sofort kapiert, denn wer die größte Transaktionsmaschine für Geschäftsprozesse gebaut hat, versteht ziemlich schnell, worum es bei Celonis geht“, erinnert sich Rinke an das fünf Minuten kurze Gespräch.
Partnerschaft mit SAP
Was folgte, war 2012 die Aufnahme in das Start-up Focus Program von SAP und 2016 eine globale Vertriebspartnerschaft mit dem Softwarekonzern. Der ehemalige SAP-Mann Alex Ott, der im Board von Celonis sitzt, fädelte 2016 die erste externe Finanzierung mit den angelsächsischen Risikokapitalgebern Accel und 83North ein. Der Gründer der börsennotierten SAP-Tochter Qualtrics, Ryan Smith, gehört ebenso zu den Investoren von Celonis wie der Gründer der von SAP übernommenen Hybris, Carsten Thoma.
Alexander Rinke hat an der Pariser École polytechnique und an der TUM Mathematik studiert. Er arbeitete während des Studiums bei dem Rückversicherer Munich Re und bei einem Fonds. Der Start von Celonis gelang 2011 im Rahmen eines Gründerstipendiums der TUM.