Takeaway-Gründer Groen kommt mit blauem Auge davon
Takeaway-Gründer Groen kommt mit blauem Auge davon
hek Frankfurt
Von Helmut Kipp, Frankfurt
Der Aufstieg zum Global Player endet für Jitse Groen, den Vorstandschef des Essenslieferdienstes Just Eat Takeaway, als Albtraum. Mehr als zwei Jahre zog sich die Suche nach einem Partner oder Käufer für Grubhub hin. Nun nimmt der US-Wettbewerber Wonder Group die kränkelnde US-Tochter unter die Fittiche. Und zwar zum Spottpreis von 650 Mill. Dollar Unternehmenswert, also einschließlich Schulden.
Viereinhalb Jahre vorher sah die Welt ganz anders aus. Damals grassierte die Corona-Pandemie, Bringdienste erlebten einen ungeahnten Boom. Groen kam auf die Idee, mit dem Kauf von Grubhub nach Nordamerika zu expandieren und den größten Essenslieferanten außerhalb Chinas zu schmieden, gemessen an Umsatz und Bruttowarenvolumen. Die im Juni 2020 angekündigte Übernahmeofferte bewertete Grubhub mit 7,3 Mrd. Dollar. Im Geschäftsbericht 2021 wurde schließlich ein Kaufpreis von 4,8 Mrd. Euro genannt.
CEO, Aktionär und Gründer
Der Weiterverkauf bringt jetzt mickrige 50 Mill. Dollar Nettoerlös – maximal. Solch eine gigantische Wertvernichtung überleben längst nicht alle CEOs im Amt. Groen sitzt weiter im Sattel, was wohl auch damit zusammenhängt, dass er nicht nur CEOs ist, sondern auch bedeutender Aktionär (Anteil 7,2%) und Gründer von Takeaway. Der Unmut unter Aktionären über den akquisitorischen Fehlgriff konzentrierte sich auf den damaligen Finanzvorstand Brent Wissink und einige Aufsichtsräte. So machte der aktivistische Investor Cat Rock Capital Front gegen eine Wiederbestellung Wissinks, dem der Aktienkursverfall infolge des Grubhub-Flops zur Last gelegt wurde. Zum Glück hat Just Eat Takeaway den Sprung über den Atlantik nicht mit Cash bezahlt, sondern mit den damals teuren eigenen Aktien. Sonst wäre das Ganze übler ausgegangen.
Dominant in Deutschland
Eine bessere Entscheidung war die Übernahme von Lieferando, die für ihren orangefarbenen Auftritt bekannt ist und den deutschen Markt beherrscht. Lieferando lieferte sich jahrelang einen kräftezehrenden Konkurrenzkampf mit Delivery Hero aus Berlin. Schließlich kaufte Groen seinem Widersacher Niklas Östberg für viel Geld das Deutschlandgeschäft (Lieferheld, pizza.de, Foodora) ab und gewann so die Kontrolle über den wichtigen Markt Deutschland. Dafür legte er neben einer halben Milliarde Euro in bar eigene Aktien auf den Tisch, so dass Delivery Hero jahrelang in der Liste der großen Takeaway-Aktionäre zu finden war. Die Transaktion schuf den Grundstock für den nächsten großen Deal, die Übernahme der damals schwächelnden britischen Just Eat, die kasseschonend mit eigenen Aktien bezahlt wurde.
Idee kam auf Familienfest
Die Idee, ein Internetportal für Essensbestellungen zu entwickeln, kam Groen anlässlich eines Familienfests. Der Niederländer, der Business & IT an der Universität Twente studierte, wollte im Internet Essen ordern, fand aber nur eine Restaurantliste. So brachte er im Jahr 2000 seine Firma Thuisbezorgd.nl (Zuhause besorgt) an den Start. Zu der Zeit wählte man sich noch mit Modem ins Web ein, das Smartphone gab es noch gar nicht.
2007 wagte der 1978 geborene Unternehmer die ersten Schritte ins benachbarte Ausland. Lange finanzierte sich Thuisbezorgd.nl aus eigener Kraft. Erst 2012, kurz nach der Umbenennung in Takeaway, stieg mit Prime Ventures der erste externe Investor ein. Im September 2016 brachte Groen sein Unternehmen an die Amsterdamer Börse.
Investoren erleichtert
In den Folgejahren entstand ein Lieferimperium mit knapp 20 Mrd. Euro Bruttotransaktionsvolumen in den ersten drei Quartalen 2024, das nun mit dem Abgang der US-Tochter von der Größe her um grob ein Drittel schrumpfen wird. Dennoch sind Investoren erleichtert, dass Groen, der unter anderem für Unternehmensstrategie und Geschäftsentwicklung verantwortlich ist, endlich einen Schlussstrich zieht.