JD.com

Tech-Baron Liu wird zum Umverteiler

Beim chinesischen Tech-Konzern JD.com kriegt das obere und mittlere Management die heimische Tech-Regulierungskampagne in Form einer Gehaltskürzung zu Solidarzwecken mit der breiten Belegschaft zu spüren.

Tech-Baron Liu wird zum Umverteiler

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Die vor zwei Jahren mit dem sensationellen IPO-Verbot des Fintech-Riesen Ant Group lancierte Pekinger Regulierungskampagne im Internet- und Technologiesektor fordert den führenden chinesischen Tech-Unternehmen und ihren Gründer-Milliardären immer neue Anpassungen und Demutsgesten ab. Jetzt lässt eine Maßnahme beim zweitgrößten chinesischen Onlinehändler JD.com aufhorchen. Wie Richard Liu, Gründer und Chairman von JD, in einer konzerninternen Mitteilung bekanntgibt, muss sich die obere und mittlere Managementriege durchweg auf eine empfindliche Kürzung der Bezüge in einer Größenordnung von 10 bis 20% einstellen, die zu Jahresbeginn 2023 wirksam wird.

Zwar müssen Chinas Tech-Riesen aufgrund der von Corona-Restriktionen heraufbeschworenen Konsumdelle den Gürtel etwas enger schnallen und haben ihre Personalpolitik der Konjunktursituation anzupassen und auf Kostendisziplin zu achten. Ein harter Einschnitt bei den Managementbezügen ist dennoch ein ungewöhnlicher Schritt für ein noch immer wachstumsträchtiges und prosperierendes Unternehmen. Tatsächlich aber geht es genau darum, nämlich Prosperität an der falschen Stelle, die nach dem Willen der chinesischen Parteiführung im Kampagnenstil umverteilt gehört.

Im vergangenen Jahr wurde in China ein neues Motto der sogenannten „Common Prosperity“, des Wohlstands für alle, ausgerufen. Dabei will man anscheinend insbesondere in der vor Milliardären und Großverdienern strotzenden Tech-Szene ein Exempel statuieren und den marktwirtschaftlich extrem bedenklichen Feldzug gegen mächtige Internetkonzerne mitsamt ihren Gründern und Anteilsbesitzern in ein mildes sozialpolitisches Licht tauchen.

Liu begründet die Gehälterbeschneidung nicht mit Kostensenkungszwängen oder Ertragszielen, sondern will die eingesparten Gelder in einen mit 10 Mrd. Yuan (1,4 Mrd. Euro) dotierten Wohnungsfonds einbringen, der künftig allen Angestellten der JD-Gruppe mit zinsfreien Krediten für einen Wohnungskauf beistehen soll. Außerdem will Liu zusätzlich 100 Mill. Yuan vom eigenen, derzeit auf etwa 11,4 Mrd. Dollar taxierten Vermögen abzwacken, um Maßnahmen zu sponsern, die zum Wohl der Angestellten beitragen sollen. In der E-Mail mit der nicht sonderlich motivationsfördernden Ankündigung für die rund 2000 betroffenen Manager schlägt Liu einen geradezu flehentlichen Ton an und bittet seine „Managementbrüder“ um Verständnis und Unterstützung für diese Entscheidung.

Er betont auch, dass es sicherlich möglich sein werde, die gehaltsbezogene Cashflow-Position wieder auf das ursprüngliche Niveau zurückzubringen, wenn die JD-Gruppe in den kommenden zwei Jahren wieder auf das zu Corona-freien Zeiten gewohnte Wachstumsniveau zurückkehre. Bis dahin muss sich die Spitzenmanagerriege damit trösten, zur allgemeinen Prosperität der JD-Angestelltenfamilie beizutragen, wenn auch nicht ganz freiwillig. Diese war kürzlich durch die Eingliederung des chinesischen Zustellungsdienstes Deppon bei der Konzerntochter JD-Logistics um 150000 Kuriere erweitert worden, die im Gegensatz zu den üblichen Sitten in Chinas E-Commerce- und Logistikbranche auch die mit einem normalen Angestelltenvertrag verbundenen betrieblichen Sozialleistungen erhalten werden.

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