Thomas Mang zieht sich nach 21 Jahren als Sparkassenpräsident zurück
Strippenzieher Mang tritt als Sparkassenpräsident ab
Von Carsten Steevens, Hamburg
In der Sparkassen-Finanzgruppe, zuvorderst in der zwischen Nordsee und Harz, endet eine Ära. Mit Thomas Mang geht in diesem Sommer der seit Anfang 2003 amtierende Präsident des Sparkassenverbands Niedersachsen in den Ruhestand. Mehr als 21 Jahre bedeuten die zweitlängste Mandatszeit eines Vorstehers in der Geschichte des 1887 entstandenen Regionalverbandes. Vier Ministerpräsidenten und fünf Finanzminister im zweitgrößten deutschen Flächenland hat Mang als Sparkassenpräsident in Hannover erlebt. Ebenso fünf Präsidenten an der Spitze des Sparkassendachverbandes DSGV in Berlin. An vielen Weichenstellungen innerhalb der vielstimmigen Finanzgruppe, gerade auch personellen, war der gebürtige Bremer beteiligt. Im Laufe der Zeit habe er sich „relativ viel Einfluss“ in der Sparkassenorganisation auch über die Grenzen von Niedersachsen hinaus erarbeiten können, blickt der 64-Jährige kurz vor seiner offiziellen Verabschiedung am Donnerstag in Hannover im Gespräch mit der Börsen-Zeitung zurück.
Schlüsselpositionen
Schlüsselpositionen waren der 2011 übernommene Vorsitz der Verbandsvorsteherrunde im DSGV und später, ab 2017, der Aufsichtsratsvorsitz beim IT-Dienstleister Finanz Informatik. Posten, die zum 1. Juli auf den Chef des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbandes, Michael Breuer, und die Präsidentin des Sparkassenverbandes Westfalen-Lippe, Liane Buchholz, übergehen. Dass Mang Aufgaben als Strippenzieher in der Finanzgruppe übernehmen konnte, lag nicht nur daran, dass sich der Sparkassenbetriebswirt nach dem Beginn einer Lehre bei der Sparkasse Bremen vor 46 Jahren der öffentlich-rechtlichen Finanzgruppe beruflich vom Scheitel bis zur Sohle verschrieb und später als Vorstandsmitglied bei der Sparkasse Saarbrücken von 1997 bis 2000 und als Geschäftsführer beim DSGV bis 2003 Führungserfahrungen auf Instituts- und auf Verbandsebene sammelte.
Mit einer Mischung aus Lernbereitschaft und Talent legte er im Laufe der Zeit offenbar auch Eigenschaften an den Tag, auf die es in einer Organisation, die sich gerne als „dezentral bis auf die Knochen“ begreift, in besonderem Maße ankommt. „Die wichtigsten Voraussetzungen für den Job des Sparkassenpräsidenten sind aus meiner Sicht: zuhören können, Zwischentöne wahrnehmen und kommunikationsfreudig sein“, bilanziert Mang. Gerade bei großen Personalentscheidungen müsse man viel telefonieren, Meinungen erfassen und versuchen, die Leute auf einer Reise mitzunehmen.
Viel gereist
Apropos Reise. Beim Verband in Hannover wird vorgerechnet, Mang habe während seiner Amtszeit seit 2003 nicht nur etwa 41.400 Tassen Tee getrunken, sondern sei infolge seiner vielfältigen Verpflichtungen in Niedersachsen sowie bundesweit insgesamt auch 34 Mal um die Welt gefahren. Dabei war die Wegstrecke gerade zu Beginn durchaus holprig. Zu lernen, wie Positionen in einer dezentralen Organisation durchgesetzt werden können, sei „eine harte Schule“ gewesen, berichtet der Sparkassenpräsident. Da trage man auch Schrammen nach Hause.
„Als Präsident eines Verbandes, dem selbständige Sparkassen angehören, fährt man einen Sechsspänner ohne Zügel.“ Es schade nicht, so Mang, über Stehvermögen und Entscheidungsfreude zu verfügen. „Ein Sparkassenpräsident muss Widerstände überwinden können, aber mit Geschick und nicht im Hauruckverfahren.“ Diplomatie und Kommunikationsfreude seien freilich auch bei Sachentscheidungen von Vorteil, vor allem, sobald es bei den Sparkassen ans Geld gehe. „Das hat sich in Niedersachsen vor allem bei den Maßnahmen zur Kapitalstärkung der Nord/LB gezeigt.“
Krisenfall Nord/LB
Die Nord/LB zu stabilisieren, sei die größte Herausforderung in seiner Zeit als Präsident des Sparkassenverbandes Niedersachsen gewesen, erklärt Mang und meint vor allem die Maßnahme Ende 2019, als die Altträger und die gesamte Sparkassen-Finanzgruppe Kapital- und Garantiehilfen von insgesamt 3,6 Mrd. Euro zu leisten hatten. Das Geschäftsmodell der Landesbank habe nicht gehalten. Weil sie mit ihrem überdimensionierten Schiffsportfolio in eine schwere Krise rutschte, habe man die Nord/LB stützen müssen.
Die Frage der Kapitalausstattung der Nord/LB habe die Sparkassen in Niedersachsen in den vergangenen 20 Jahren immer wieder beschäftigt. Einen gemeinsamen Kurs mit den beteiligten Ländern zu finden, sei dabei „nicht immer ganz einfach“ gewesen, resümiert Mang. „Wir als Sparkassen haben naturgemäß viel stärker auf das Vorsichtsprinzip gepocht und darauf gedrungen, Risiken und Kosten einzudampfen, während bei den Ländern der Vorwärtsgeist stärker ausgeprägt war.“ Insgesamt habe man sich aber immer wieder zusammenraufen können, auch wenn die Mehrheitsanteile auf Landesseite gelegen hätten.
Kein Frühstücksdirektor
Bei Herausforderungen wie der Stützung der Landesbank habe es Momente gegeben, „in denen man sich schon fragen konnte, ob das alles noch Spaß macht“, erinnert sich Mang. „Aber der Posten eines Regionalverbandspräsidenten ist ja kein Frühstücksdirektorenjob.“
Solche Herausforderungen gelte es anzugehen, Hindernisse zu überwinden und Lösungen zu finden. „Das hat mich gereizt – und es hat immer auch Spaß gemacht.“ Die Frage, den Bettel hinzuwerfen, habe sich nicht gestellt. „Ich habe nie darüber nachgedacht, den Posten aufzugeben und aus Hannover wegzugehen, auch nicht, als 2017 ein neuer DSGV-Präsident nach dem Rücktritt von Georg Fahrenschon gefunden werden musste.“
Klumpenrisiken
Ob der Aufsichtsrat der Nord/LB, dem der niedersächsische Sparkassenpräsident angehört, bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben als Kontrollorgan versagt habe? „Ich glaube nicht“, sagt Mang. Die Schiffsfinanzierungskrise, die der Bank zum Verhängnis wurde, sei aus „einer Verquickung von Konjunktur- und Strukturkrise, die in ihrer Form auch von Schifffahrtsexperten nicht absehbar war“, hervorgegangen. „Allerdings mussten wir die Lehre ziehen, dass man unabhängig von diesen Konjunktur- und Branchenbetrachtungen Klumpenrisiken nicht so stark aufbauen darf.“ Dieser Grundsatz spiele heute in der Geschäftspolitik der Nord/LB eine wesentliche Rolle.
Gerade die Sparkassenorganisation müsse ihre Kräfte nun darauf richten, die Landesbank so schnell wie möglich wieder marktfähig aufzustellen und sie auch für unsere verbundpolitischen Zielsetzungen zu nutzen. „Wir im Sparkassenverband Niedersachsen sehen die Nord/LB auf dem richtigen Kurs“, hält Mang fest. Man könne sie im norddeutschen Raum sehr gut gebrauchen, weil Sparkassen allein schnell zu klein seien, wenn es um die Finanzierung von Transformationsprojekten im Zuge der Energiewende gehe. Die Nord/LB verfüge nicht zuletzt bei Energiethemen über viel Know-how.
Kleinster Nenner
„Wir tragen den Kurs der Nord/LB und ihres neuformierten Vorstands mit“, unterstreicht der Sparkassenpräsident. Keine Klumpenrisiken wie in der Vergangenheit aufzubauen und Kostendisziplin zu halten, sei dabei „der kleinste gemeinsame Nenner, auf den wir uns in der Nord/LB auch mit dem Land Niedersachsen und dem Land Sachsen-Anhalt verständigt haben“.
Mang konstatiert „Schwierigkeiten“ bei der Werthaltigkeit des „Assets“ Nord/LB und fügt hinzu, Wertkorrekturen seien stets früh genug vorgenommen worden, so dass man zu keinem Zeitpunkt mit den Sparkassen infolge verschiedener kritischer Entwicklungen in Schieflage geraten sei. „Wir haben hier im Verband immer das Vorsichtsprinzip angewandt und mit offenen Karten gespielt.“ Das habe bei der Bewältigung der schwierigen Lage der Nord/LB geholfen.
Offen für Zentralinstitut
Mit Blick auf die während der Amtszeit des bis Ende 2023 amtierenden DSGV-Präsidenten Helmut Schleweis diskutierte Idee eines Sparkassen-Zentralinstituts wiederholt Mang die bekannte Position des Sparkassenverbandes Niedersachsen. Man sei offen für ein solches Zentralinstitut, könne es aber nur dann befürworten, wenn auch die Nord/LB Teil dieses Instituts würde. „Wir nehmen allerdings zur Kenntnis, dass dieses Thema im Moment aus verschiedenen Gründen nicht weiterverfolgt werden kann“, sagt der Sparkassenpräsident. "Mit der jetzigen Landesbankenlandschaft können wir auch leben."
Zur möglichen Herauslösung der Braunschweigischen Landessparkasse (BLSK) aus der Nord/LB erklärt Mang, sollte die Machbarkeit durch die in Auftrag gegebene Studie eines Beratungsunternehmens bestätigt werden, werde sich der Verband als Verfechter kommunaler Sparkassen einer solchen, von Kommunen im Braunschweiger Land verfolgten Lösung, nicht versperren. „Wir erklären aber deutlich: Es wird keine Sparkasse in der Trägerschaft des Sparkassenverbandes Niedersachsen geben, auch nicht interimistisch.“ Der Verband werde von den Sparkassen getragen und nicht umgekehrt. Mang betont weiter, dass der Verband in der Frage nach der Zukunft der BLSK eine neutrale Position einnehme. Das Gutachten soll in der zweiten Hälfte dieses Jahres vorliegen.
Eng mit Kommunen
Mang hebt die enge Verbindung zwischen Sparkassen und ihren kommunalen Trägern in Niedersachsen hervor. Während seiner Amtszeit habe das Zusammenspiel funktioniert. „Bei allen wichtigen Entscheidungen hat nie ein Blatt zwischen die kommunalen Träger und unsere Sparkassen gepasst.“ Das Zusammenspiel sei dann gut, wenn der parteipolitische Einfluss und Landespolitik keine Rolle spielten. Nach dem Sparkassen-Mann Mang wird mit Cord Bockhop wieder ein Vertreter der kommunalen Seite Sparkassenpräsident in Niedersachsen sein.
Der seit 2011 amtierende Landrat des Landkreises Diepholz wurde im vorigen Dezember zum 15. Verbandsvorsteher gewählt – ohne Gegenstimme. Das bedinge, dass in diesem Amt Parteipolitik keine Rolle spielen dürfe, betont Mang. Das einstimmige Votum für den 57 Jahre alten Bockhop, der der CDU angehört, geht zur Arbeitsteilung im Verband mit dem neu geschaffenen Posten eines Vizepräsidenten einher. Guido Mönnecke, der seit 2018 Verbandsgeschäftsführer ist und über langjährige Erfahrungen im Vorstand einer Sparkasse verfügt, habe diese Position übernommen, teilt Mang mit.
Rat für Nachfolger
Seinem Nachfolger rät der am längsten amtierende Präsident eines der zwölf Sparkassen- und Giroverbände in Deutschland, zunächst eine alte Regel zu beherzigen: „Heimspiel geht vor Auswärtsspiel.“ Man müsse sich erst einmal eine starke Basis im eigenen Lager schaffen, ehe man auch weiterdenken und überregional eine Rolle in der Sparkassen-Finanzgruppe spielen könne. „Die Stärke der eigenen Sparkassen zu stützen, ist erste Bürgerpflicht, den Verbund zusammenzuhalten, ihn weiterzuentwickeln, ist die zweite Bürgerpflicht.“ Er sei, so Mang, überzeugt, dass es seinem Nachfolger sehr schnell gelingen werde, eine starke Stimme für die niedersächsischen Sparkassen zu sein.
Schließlich hält der Verbandspräsident, der sich bis auf ein Mandat im Aufsichtsrat der Berlin Hyp aus allen Funktionen in der Sparkassenorganisation zurückziehen und sich künftig seinem Privatleben widmen will, noch ein Plädoyer für den Erhalt kleiner Sparkassen. Es sei zu befürchten, „dass der regulatorische Impetus diese Struktur langfristig gefährdet“. Der Verband in Hannover werde „alles daransetzen, auch kleinere Sparkassen zu befähigen, eigenständig zu bleiben“.
Plädoyer für Kleine
Wie weit die während seiner Amtszeit von 51 auf 39 gesunkene Zahl kommunaler Institute weiter zurückgehen werde, lasse sich nicht abschätzen. „Aus meiner Sicht sollte ein großes Flächenland wie Niedersachsen auf jeden Fall mehr als 30 Sparkassen haben.“ Einen Bedeutungsverlust der Sparkassen für Menschen, Unternehmen und Kommunen habe er in den vergangenen zwei Jahrzehnten, in denen es keinen Stützungsfall in Niedersachsen gegeben habe, nicht feststellen können, betont Mang mit Blick auf die europäischen Regelsetzer.
„EU-Kommission und europäische Finanzaufseher finden das Sparkassenwesen offenbar ein bisschen spooky oder skurril.“ Die Konzentration auf einen Landkreis oder eine Stadt sei aber keinesfalls wie dort unterstellt ein Klumpenrisiko. Es mache die Stärke der Sparkassen aus, sich ökonomisch dort zu betätigen, wo sie sich am besten auskennen. Die Sparkassengruppe ruft Mang auf, darum zu kämpfen, dass man in Europa den Subsidiaritäts- und Regionalgedanken auch im Kreditwesen akzeptiert und nicht nur die Kategorie großer, am besten noch international angelegter Geschäftsbanken. „Diese Häuser haben uns die Finanzkrise eingebrockt, und heute wird diesen Gedanken wieder gefrönt.“