Im GesprächBertram Kawlath

Neuer VDMA-Präsident Bertram Kawlath fordert bessere Standortbedingungen

Der deutsche Maschinenbauverband VDMA bekommt mit Bertram Kawlath einen neuen Präsidenten. Der 53-Jährige ist gebürtiger Hesse, studierter Historiker und ein alter Hase in der industriellen Interessenvertretung. Seine Mission: der kriselnden Branche zu besseren Standortbedingungen verhelfen. Staatliche Zuschüsse ohne Gegenleistung lehnt er dabei klar ab.

Neuer VDMA-Präsident Bertram Kawlath fordert bessere Standortbedingungen

Neuer VDMA-Präsident fordert bessere Standortbedingungen

Von Karolin Rothbart, Frankfurt

Der deutsche Maschinenbauverband VDMA bekommt mit Bertram Kawlath einen neuen Präsidenten. Der 53-Jährige ist gebürtiger Hesse, studierter Historiker und alter Hase in der industriellen Interessenvertretung. Seine Mission: Der kriselnden Branche zu besseren Standortbedingungen verhelfen. Staatliche Zuschüsse ohne Gegenleistung lehnt er dabei klar ab.

„Ohne Optimismus konnte ich noch nie“, sagt Bertram Kawlath, und man glaubt ihm das recht schnell. Das neue Gesicht des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) lächelt fast immer, die Sorgen und Nöte seiner Branche sind nicht ersichtlich. Dabei kämpft der Maschinenbau seit Längerem mit einer Nachfrageschwäche, von der Aufholjagd nach der Corona-Pandemie ist nichts mehr zu spüren.

Ohne Optimismus konnte ich noch nie.

Bertram Kawlath

Wie herausfordernd die Situation ist, wird auch bei einer Visite des Mittelständlers Schubert & Salzer, dessen Chef Kawlath ist, nicht ersichtlich. Die Hauptzentrale in Ingolstadt ist das, was man in der Geschäftswelt gemeinhin als „repräsentativ“ bezeichnet: Der Besucherbereich geschmackvoll eingerichtet, die Wände mit Gemälden behangen, die Gänge und Gärten mit Kakteen und Skulpturen versehen, die Decke mit einer kunstvoll geschwungenen, rot leuchtenden Neonröhre geschmückt. „Kontinuität durch Wandel“ heißt es auf einem großen Aluminiumschild, eine Zeitleiste darunter zeugt vom Anspruchsdenken der Gruppe: Der Strahl beginnt im Jahr 1883, als Carl Schubert und Bruno Salzer erstmals in Chemnitz Strumpf-Wirkmaschinen gefertigt und damit den Grundstein für die Firma gelegt haben. Der Strahl endet mit dem „Unendlich“-Zeichen.

Vielfältiges Ventilgeschäft

Die unzähligen Einsatzbereiche von dem, was Schubert & Salzer heute fertigt – Industrieventile – machen eine künftige Nichtexistenz des Unternehmens tatsächlich schwer vorstellbar. Ob in der Lebensmittelindustrie, der Kunststoffindustrie, der Textilindustrie, der Chemieindustrie oder Pharmaindustrie, der Fahrzeug- oder Luftfahrttechnik – die Liste an Teilsektoren des verarbeitenden Gewerbes, in denen die Bauteile zum Absperren und Regeln von flüssigen, dampf- oder gasförmigen Medien benötigt werden, scheint endlos. Zehntausend Kunden in 93 Ländern nutzen die Geräte von Schubert & Salzer, die auf einem kleineren Standbein seit 30 Jahren auch Software für den fertigenden Mittelstand anbietet. Der Löwenanteil der 60 Mill. Euro Jahresumsatz entfällt aber auf das Ventilgeschäft.

Der Gegenwind in der Industrie macht sich trotz der Bedeutung von Sitz-, Steril- und Schlauchventilen, Stellungsreglern und Stellantrieben trotzdem auch in Oberbayern bemerkbar. „Der Auftragseingang hat sich zuletzt im Vergleich zum Vorjahr etwas verlangsamt“, sagt Kawlath. Danach wechselt er schnell wieder in den Optimisten-Modus: Das Vorjahr sei zum einen besonders rund gelaufen, und zum anderen stehe man im Vergleich zum Gesamt-Anlagenbau ohnehin noch gut da. Die Marge sei zudem so hoch, dass die Firma weiter in die Neuentwicklung von Produkten investieren könne.

Zweite Heimat in Ostdeutschland

Wie hoch die Marge von Schubert und Salzer genau ist, will Kawlath nicht verraten. Der 53-Jährige geht generell lieber mit Worten als mit Zahlen um, wie er sagt. Das habe er schon früh bei einem Ausflug ins BWL-Studium gemerkt, der aus dem Grund auch nicht lange gedauert habe. Stattdessen fand Kawlath, der 1970 in Kronberg im Taunus geboren und in Seligenstadt sowie später in Kempen am Niederrhein aufgewachsen ist, seinen Platz im Geschichtsstudium. Sein Abschluss handelte von der „neuen Ostpolitik“.

Der deutsche Osten sollte später für viele Jahre seine zweite Heimat werden. Nachdem es mit Kawlaths ursprünglichem Wunsch nach einer Mitarbeit im Auswärtigen Amt nicht geklappt hatte, ging es für ihn ins sächsische Erzgebirge. Dort betrieb die Firma der Familie – Kawlaths Vater Arnold hatte 1991 mit anderen Investoren Teile der früheren Gruppe übernommen – seit 1994 eine Gießerei, die Eisenwerk Erla GmbH. Von 2004 bis 2010 war er dort Geschäftsführer und Aufsichtsrat.

„Für mich als Historiker war das natürlich ganz schön“, erinnert er sich. „Das Werk war über 600 Jahre alt, die erste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 1380.“ Man habe in Erla lange behauptet, das älteste Industrieunternehmen Deutschlands zu sein, erinnert sich Kawlath. „Dann haben sich aber die Schwäbischen Hüttenwerke bei mir beklagt.“

Das Kofferpacken konnte ich irgendwann nicht mehr sehen.

Bertram Kawlath über seine Jahre als Berufspendler

2010, nachdem die Gießerei an die indische Sanmar-Gruppe verkauft wurde, wechselte Kawlath nach Bad Lobenstein in Thüringen. Dort hatte Schubert & Salzer ein Werk, das auf Feinguss spezialisiert war – „ein ganz anderes Verfahren“, wie Kawlath betont. „Beim Edelstahl-Feinguss werden eher kleinere Teile für kleinere Maschinen hergestellt.“ Kawlath war damals geschäftsführender Gesellschafter des Werks und zugleich geschäftsführender Gesellschafter der Gruppe. „Ich bin immer von Thüringen nach Ingolstadt gependelt“, erzählt er. 25 Jahre lang sei er Berufspendler gewesen. „Das Kofferpacken konnte ich irgendwann nicht mehr sehen.“ 2023 hat Schubert & Salzer die Feingießerei, die die Produktion zwischenzeitlich auf größere Teile umgestellt hatte, verkauft. Geblieben sind die Ventile und Software.

Kawlath krönt als VDMA-Präsident und Nachfolger von Karl Haeusgen eine langjährige Verbandskarriere. Gestartet hat er diese beim Deutschen Gießereiverband, später sei er im Vorstand des Mittelstandsausschusses des Bundesverbands der Deutschen Industrie gelandet. „Das ist eine Tätigkeit, die ich jetzt seit 24 Jahren ausübe. Im nächsten Jahr werde ich dort meinen Abschied feiern“, sagt er. Im Mittelstandsbeirat des Bundeswirtschaftsministeriums habe er ebenfalls viele Jahre verbracht. Vor seinem Aufstieg beim Maschinenbauverband war er zudem Chef beim VDMA Bayern und Vize-Präsident der Organisation.

Keine Angst vor Robert Habeck

„Politische Arbeit ist etwas, was mich immer interessiert hat“, sagt Kawlath. Daheim vor dem Fernseher werde ihm hingegen schnell langweilig. Das sei praktisch, denn die Prozesse in Verbänden seien oft recht langsam und „Menschen mit viel Zeit daher gern gesehen“. Sein eigenes Unternehmen, bei dem seine vier Geschwister stille Teilhaber sind, gehe im Zweifel aber vor.

Wenn Kawlath nicht gerade politische Gespräche führt oder sich um das Familiengeschäft kümmert, hat er noch ein persönliches Hobby: „Ich fotografiere furchtbar gerne, meine Familie hat sich schon daran gewöhnt, dass sie ständig abgelichtet werden.“ Selbst fühlt sich der neue VDMA-Präsident vor der Kamera zwar noch nicht allzu pudelwohl. Er schrecke aber auch nicht davor zurück, künftig an politischen Talkshows teilzunehmen. „Es muss allerdings passen. Und es muss sinnvoll sein.“

Wir wollen keine Subventionen, wir wollen bessere Standortbedingungen.

Bertram Kawlath

An Themen, die es in der Öffentlichkeit zu besprechen gibt, mangelt es der Branche nicht. Neben der vielen Bürokratie und komplexer Steuersysteme mache den Unternehmen vor allem der Fachkräftemangel zu schaffen – mittelfristig sei das das größte Problem des Sektors, sagt Kawlath. Hierbei gehe es auch um migrationspolitische Fragen. „Wenn heute ein mittelständisches Unternehmen in Indien eine Fachkraft über eine Zeitarbeitsfirma anstellen will, dann vergehen teilweise bis zu drei Jahre, bis diese Fachkraft tatsächlich im Betrieb anfangen kann. Das dauert zu lange, sowohl für die Fachkraft als auch für die Firma.“ Hier müssten die Visumsverfahren vereinfacht werden.

Kein Ruf nach Subventionen

Forderungen nach einem Industriestrompreis lehnen Kawlath und der VDMA derweil ab, auch am allgemein häufiger zu vernehmenden Ruf nach Subventionen wolle man sich nicht beteiligen. „Ich habe da Bauchschmerzen, wenn wir das Risiko sozialisieren und Gewinne privatisieren“, sagt Kawlath. Für solche Forderungen, die letztlich nur einzelnen Großkonzernen zugute kämen, sei man beim VDMA mit seinen 3.600 Mitgliedsfirmen ohnehin zu breit aufgestellt. Man könne daher als Verband „nur ordnungspolitisch“ agieren. „Wir wollen keine Subventionen, wir wollen bessere Standortbedingungen“, sagt Kawlath. „Ich traue mir auch zu, zum Habeck zu gehen und dafür zu sorgen.“

Ansonsten würde der Verfechter wirtschaftspolitischer Ordentlichkeit die Lage der Industrie auch nicht ganz so schwarzmalerisch beschreiben, wie manch anderer dieser Tage. „Ich bin vorsichtig mit dem Wort Deindustrialisierung und würde da ein bisschen zum Maßhalten raten“, sagt Kawlath. „Ja, wir mussten unsere Produktionsprognose für dieses Jahr auf -8% senken, das ist nichts, was man mal eben so wegsteckt.“ In der Corona-Pandemie sei die Situation aber schon mal schlimmer gewesen. So war die Produktion der Unternehmen 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 12% eingebrochen.

Damit es künftig besser läuft, habe sein Vorgänger Karl Haeusgen viele wichtige Themen angestoßen, die er gern vertiefen würde, sagt Kawlath. Die Europäisierung etwa. „Die großen Themen werden heute auch auf europäischer Bühne entschieden.“ Der Verband müsse dem Rechnung tragen und habe das auch schon deutlicher getan, als andere Lobbyorganisationen, von denen viele „noch sehr national verhaftetet“ seien. Der frühere Langzeitpendler wird womöglich bald wieder häufiger seine Koffer packen müssen.

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