Hellofresh

Vom Kochboxen-Packer zum Börsenhelden

Die Hellofresh-Aktie hat einen ungeahnten Kursaufschwung erlebt. Co-Gründer Thomas Griesel treibt die Expansion außerhalb des Kernmarkts USA voran und kümmert sich um das zentrale Thema Nachhaltigkeit.

Vom Kochboxen-Packer zum Börsenhelden

Von Helmut Kipp, Frankfurt

Weniger als 3 Euro fehlten der Hellofresh-Aktie unlängst zur 100-Euro-Marke. Solch ein Kursniveau erschien lange unerreichbar. Noch vor gut zwei Jahren dümpelte die Notierung des Kochboxanbieters unter 10 Euro. Thomas Griesel und sein Kompagnon Dominik Richter werden die Kursperformance mit Wohlwollen verfolgen. Sie haben das Unternehmen im November 2011 zusammen mit der Schwedin Jessica Schultz (geborene Nilsson) unter finanzieller Beteiligung des Start-up-Investors Rocket Internet in Berlin gegründet und leiten es. Hellofresh verkauft ihre Kochboxen, die im Abo-Modell mit Rezepten und abgemessenen Zutaten angeboten und an die Haustür des Bestellers geliefert werden, inzwischen in 15 Ländern.

Der 1986 in Hilden geborene Griesel verantwortet das Segment International. Darunter versteht man bei Hellofresh allerdings nicht das Auslandsgeschäft, sondern die Aktivitäten außerhalb des wichtigsten Markts USA, der für 55% des Umsatzes steht. Sein geschäftliches Reich umfasst Länder wie Deutschland, das Vereinigte Königreich, Benelux, Australien, Frankreich, Schweden und neuerdings Norwegen, wo der Konzern seit Juli aktiv ist. Demnächst sollen Italien und vor allem Japan, potenziell ein riesiger Markt, hinzukommen.

Der erste Kursschub kam mit Erreichen der operativen Gewinnschwelle, der zweite mit der Corona-Pandemie, die einen Nachfrageboom entfachte. Aktuell profitiert die Aktie davon, dass Befürchtungen, mit dem Abflauen der Pandemie würden die Menschen wieder scharenweise in Restaurants strömen und Kochboxen verschmähen, sich als voreilig erweisen. Unlängst hat das Management die Wachstumsprognose für das laufende Jahr sogar erhöht, den Margenausblick aber gesenkt.

An der Börse bringt Hellofresh mehr als 16 Mrd. Euro auf die Waage und übertrifft damit manchen Großkonzern. Ein Platz im künftigen Dax 40 dürfte das Unternehmen damit sicher haben. Fürwahr kein schlechtes Resultat für eine Geschäftsidee, von der anfangs mancher dachte: Wozu in aller Welt braucht man das? Man geht doch sowieso einkaufen und kann die Zutaten mitbringen, die für die Zubereitung einer Mahlzeit benötigt werden.

Griesel und Richter kennen sich aus ihrer Studienzeit an der Privathochschule WHU. Schon damals verfolgten sie Gründungsprojekte, allerdings ohne Erfolg. Die Idee, einen Marktplatz für Restaurants zu gründen, haben die Wohngemeinschaftskumpel nicht weiterverfolgt. Dieses Modell macht übrigens heute Delivery Hero – und führte den ebenfalls in Berlin ansässigen Konzern bis in den Dax. Stattdessen ging Griesel an die London Business School und machte dort 2010 seinen Master in Management.

Den unternehmerischen Spirit hat er im Studium aufgesogen, seine Eltern sind Lehrer. Doch zunächst arbeitete Griesel als Unternehmensberater für OC&C Strategy Consultants und startete nebenbei einige Geschäftsideen. In der Anfangszeit bei Hellofresh hat er Kochboxen gepackt. „In den ersten eineinhalb Jahren war das meine Hauptbeschäftigung“, sagte er in einem Interview.

Nachhaltigkeit im Fokus

Seinen am 31. Oktober auslaufenden Vorstandsvertrag hat Griesel selbstredend verlängert. Er läuft jetzt bis 30. April 2026. In der öffentlichen Wahrnehmung steht Griesel ein wenig im Schatten Richters, der als Group CEO zusammen mit Finanzvorstand Christian Gärtner in der Kommunikation die vorderste Reihe besetzt.

Intensiv befasst sich Griesel mit Nachhaltigkeitsfragen – ein zentrales Thema für ein Unternehmen, das zuletzt in einem Quartal 254 Millionen Boxen verkauft hat, die letztlich in der Mülltonne landen. Bei ihm liegt im Vorstand die Verantwortung für ESG (Umwelt, Soziales, Unternehmensführung). Es geht um um­weltfreundliche Verpackungslösungen und das Weglassen von Umverpackungen, den CO2-Fußabdruck und die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung. Im Aufsichtsrat gibt es ein spezielles ESG-Kommitee.

Hellofresh komme mit sehr viel weniger Lebensmittelabfällen aus als Supermärkte, betont Griesel gern. Gleiches gelte für den CO2-Ausstoß, denn traditionelle Lebensmittelhändler müssen tausende Geschäfte heizen und beleuchten und große Kühlanlagen betreiben. Im Vergleich zu 2019 hat Hellofresh den Lebensmittelabfall im vergangenen Jahr von 3,6 Gramm pro Mahlzeit auf 2,2 Gramm reduziert, geht aus dem von Griesel verantworteten Nachhaltigkeitsbericht hervor. Und der CO2-Aus­stoß in den Produktionsanlagen sei je Umsatz-Euro um mehr als die Hälfte gesunken – nicht zuletzt eine Folge der höheren Kapazitätsauslastung. Auch privat trägt Griesel ESG-Themen Rechnung: Er fährt mit dem Rad ins Büro.

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