Wohlstandsunterschiede zwischen den Nationen

Wirtschaftsnobelpreis für Acemoglu, Johnson und Robinson

Daron Acemoglu, Simon Johnson und James A. Robinson haben 2024 den Wirtschaftsnobelpreis bekommen: „Für ihre Studien darüber, wie Institutionen gebildet werden und sich auf den Wohlstand auswirken“.

Wirtschaftsnobelpreis für Acemoglu, Johnson und Robinson

Nobelpreis für Wohlstandsforscher

ba Frankfurt

Warum geht es manchen Nationen gut, anderen aber nicht? Und was hat die Regierungsform damit zu tun? Daron Acemoglu, Simon Johnson und James A. Robinson widmen sich dieser Fragestellung und werden dafür mit dem Wirtschaftsnobelpreis geehrt, wie die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften am Montag bekannt gab.

Die diesjährigen Preisträger, die alle drei in den USA lehren, hätten die Bedeutung gesellschaftlicher Institutionen für den Wohlstand eines Landes nachgewiesen, lautet das Urteil der Jury. Gesellschaften mit einer schwachen Rechtsstaatlichkeit und Institutionen, die die Bevölkerung ausbeuten, würden kein Wachstum und keinen Wandel zum Besseren bringen. „Die Forschung der Preisträger hilft uns zu verstehen, warum.“

Blick auf Kolonialisierung

Die Preisträger haben sich dabei angesehen, welche gesellschaftlichen Institutionen während der Kolonialisierung durch die Europäer in den Ländern eingeführt wurden und wie es nun um deren Wohlstand steht. Während es an manchen Orten darum ging, die einheimische Bevölkerung auszubeuten und Ressourcen zum Nutzen der Kolonisatoren zu gewinnen, wurden an anderen Orten integrative politische und wirtschaftliche Systeme zum langfristigen Nutzen der europäischen Migranten geschaffen. Dabei habe sich gezeigt, dass in den Ländern, die zum Zeitpunkt der Kolonisierung arm waren, häufig integrative Institutionen eingeführt wurden. Dies führte im Laufe der Zeit zu einer allgemein wohlhabenden Bevölkerung. „Dies ist ein wichtiger Grund dafür, warum ehemalige Kolonien, die einst reich waren, heute arm sind und umgekehrt“, sagte Jakob Svensson, Vorsitzender des Komitees für den Preis in Wirtschaftswissenschaften, bei der Präsentation der Forschung.

In den USA lehrend, aber keine US-Amerikaner

Auch wenn die drei Preisträger in den USA lehrten, so betont Svensson in einem Interview nach der Bekanntgabe, seien sie aber keine Amerikaner. Oft wird kritisiert, dass die Preisträger zumeist US-Amerikaner sind. In diesem Jahr hat es aber „einen Türken und zwei Briten“ getroffen. Der 1967 in Istanbul geborene Acemoglu und Johnson, der 1963 in Sheffield auf die Welt kam, sind Professoren am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge/USA. Der Brite Robinson, Jahrgang 1960, ist Professor an der University of Chicago in Illinois/USA. Die drei Forscher haben bereits einige Bücher zusammen verfasst − etwa „Warum Nationen scheitern“ und „Gleichgewicht der Macht“ (Acemoglu und Robinson) oder „Macht und Fortschritt“ (Acemoglu und Johnson).

Moritz Schularick, Präsident des Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW), betonte, dass die Auszeichnung „exzellent in die gegenwärtige Zeit passt“. Die Forscher hätten „gezeigt, wie wichtig demokratische Institutionen wie etwa ein unabhängiges Rechtssystem sind, und damit untermauert, dass Demokratie und Wachstum eng miteinander verknüpft sind“. Ihre Arbeit mache somit auch klar, wie sehr der Populismus Europa und der Welt auch wirtschaftlich schadet, wenn demokratische Institutionen dadurch Schaden nehmen, oftmals dauerhaft. In Zeiten schwindenden Wachstums, gerade auch in Deutschland, tue es außerdem gut, daran erinnert zu werden, dass Freiheit und Wettbewerb zentrale Säulen sind, die unseren Wohlstand tragen. „Die Kombination von Wirtschaftsgeschichte, politischer Ökonomie und Institutionenökonomie der drei Preisträger hatte und hat einen prägenden Einfluss auf die wirtschaftswissenschaftliche Forschung“, betonte Schularick.

„Bahnbrechende Beiträge“

Sascha Steffen, Professor an der Frankfurt School of Finance & Management, lobte die „bahnbrechenden Beiträge zum Verständnis der Rolle gesellschaftlicher Institutionen bei der Gestaltung des nationalen Wohlstands“. Die Preisträger hätten gezeigt, dass Gesellschaften mit inklusiven Institutionen – also solchen, die geteilte Macht und langfristige wirtschaftliche Chancen förderten – Wachstum und Wohlstand begünstigten: „Im Gegensatz dazu sind Gesellschaften, die in extraktiven Institutionen gefangen sind, die nur den Mächtigen dienen, mit Stagnation und Ungleichheit konfrontiert.“ Die Arbeit der Forscher unterstreiche die „dringende Notwendigkeit“ einer inklusiven Regierungsführung, um die globalen Einkommensunterschiede zu verringern.

„Echter Schock und großartige Nachricht“

Acemoglu, der bereits mehrfach zum Favoritenkreis zählte, war begeistert und überrascht, in diesem Jahr tatsächlich geehrt zu werden. „Das ist einfach ein echter Schock und eine großartige Nachricht“, beschrieb es der 57-Jährige, als er zu der Preisbekanntgabe in Stockholm zugeschaltet wurde. „So etwas erwartet man nie“, sagte der in der Türkei geborene Ökonom. „Es ist eine große Überraschung und Ehre.“ Da er gerade in Athen sei, habe er es im Vergleich zu anderen Preisträgern leicht gehabt: „Mit nur einer Stunde Zeitverschiebung habe ich die Nachricht leichter verarbeiten können.“ Oft werden die Preisträger aus dem Schlaf gerissen, wenn sie kurz vor der offiziellen Bekanntgabe telefonisch benachrichtigt werden.

Von der Zentralbank gestiftet

Der Wirtschaftsnobelpreis geht im Gegensatz zu den klassischen Nobelpreisen nicht auf das Testament des Dynamit-Erfinders Alfred Nobel (1833 bis 1896) zurück. Der mit 11 Mill. skr (rund 950.000 Euro) dotierte Preis wurde von der Riksbank erst 1968 anlässlich ihrer 300-Jahr-Feier gestiftet. Daher heißt er auch nicht offiziell Nobelpreis, sondern „Preis der schwedischen Reichsbank für Wirtschaftswissenschaften zum Andenken an Alfred Nobel“. Verliehen wird er aber zusammen mit den traditionellen Nobelpreisen am Todestag Nobels, dem 10. Dezember.

Erst ein deutscher Preisträger

Im vergangenen Jahr erhielt Claudia Goldin den Wirtschaftsnobelpreis für die Untersuchung der wichtigsten Ursachen der geschlechtsspezifischen Unterschiede auf dem Arbeitsmarkt. Von den mittlerweile 56 Auszeichnungen gingen 26 an Einzelpersonen, 20 an zwei Preisträger, und zehnmal teilten sich drei Personen den Wirtschaftsnobelpreis. Jüngste aller Laureaten war die damals 46-jährige Esther Duflo. Sie ist nach der 2009 ausgezeichneten Elinor Ostrom die zweite Frau, die den Preis erhielt – und die Erste, die zusammen mit ihrem Ehemann geehrt wurde. Duflo erhielt 2019 zusammen mit Abhijit Banerjee den Nobelpreis. 2007 war Leonid Hurwicz mit 90 Jahren der insgesamt und über alle Kategorien hinweg Älteste, der je mit einem Nobelpreis geehrt worden war − den aktuellen Rekord mit 97 Jahren hält John B. Goodenough (Chemie, 2019). Der bislang einzige deutsche Preisträger ist der Bonner Wissenschaftler Reinhard Selten, der 1994 zusammen mit John Nash und John Harsanyi für ihre Beiträge zur nichtkooperativen Spieltheorie ausgezeichnet wurde.

2023 Claudia Goldin (USA) für die Aufdeckung der wichtigsten Ursachen für geschlechtsspezifische Unterschiede auf dem Arbeitsmarkt
2022 Ben Bernanke (USA), Douglas Diamond (USA) und Philip Dybvig (USA) für ihre Erforschung von Banken und Finanzkrisen
2021 David Card (Kanada/USA) für seine empirischen Beiträge zur Arbeitsökonomie sowie Joshua D. Angrist (USA) und Guido W. Imbens (Niederlande/USA) für ihre methodischen Beiträge zur Analyse kausaler Zusammenhänge
Die Preisträger der vergangenen drei Jahre
BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.