Zweite Amtszeit für EU-Gerichtspräsident
Von Detlef Fechtner, Frankfurt
Wenn – wie gerade jüngst der Internetkonzern Google – ein Unternehmen sich gegen eine Kartellstrafe der EU-Kommission wehren will, dann landet der Fall vor dem Europäischen Gericht, dem EuG. Denn das EuG ist unter anderem für Klagen auf Nichtigerklärung von Entscheidungen der Organe der EU zuständig – beispielsweise eben von Strafbeschlüssen von Europas obersten Wettbewerbshütern in der EU-Kommission. Da das EuG zudem für Kontroversen über staatliche Beihilfen, Anti-Dumping-Maßnahmen und Patente zuständig ist, gilt das Gericht auch als die für Wirtschaftssachen zuständige Instanz des Europäischen Gerichtshofs, des EuGH. Der EuGH kommt zwar in wirtschaftlichen Streitfällen ab und zu auch ins Spiel, denn gegen EuG-Urteile können die Parteien Rechtsmittel einlegen. Trotzdem spielt das Europäische Gericht aus Sicht von Unternehmen, Anteilseignern und Investoren eine herausragende Rolle.
Geleitet wird das Gericht in den nächsten drei Jahren von dem, der ihm bereits seit 2019 vorsteht: Marc van der Woude. Der Niederländer kennt alle drei Perspektiven, die beispielsweise in Kartellrechtssachen aufeinandertreffen, aus eigenem Erleben. Denn der 1960 geborene van der Woude hat sowohl in der Generaldirektion Wettbewerb gearbeitet, die Kartellstrafen verhängt, als auch lange Jahre als Rechtsanwalt in einer Kanzlei in Brüssel, also auf der Seite jener, die Entscheidungen der EU-Kommission anfechten. Seit zwölf Jahren ist der studierte Jurist, der 2010 einen Lehrstuhl als Rechtsprofessor in Rotterdam innehatte, nun Richter am EuG – und somit in der Position, um die Beschlüsse der EU-Kommission zu bestätigen oder für nichtig zu erklären. Im Amt bestätigt wurde jetzt aber nicht nur Präsident van der Woude, sondern auch sein neun Jahre jüngerer Stellvertreter, Vizepräsident Savvas Papasavvas. Der zyprische Jurist, der in Athen, in Marseille und an der renommierten Paris II studierte, wurde ebenfalls für eine weitere dreijährige Amtszeit wiedergewählt. Anders van der Woude ist Papasavvas bereits seit fast 20 Jahren am EuG.
Intel, Apple und Google
Im Gegensatz zur oft zu hörenden Vermutung, dass die Richter an Gericht und Gerichtshof in Luxemburg gemeinhin den Hang hätten, den EU-Organen gegenüber äußerst wohlwollend zu urteilen, hat gerade das Europäische Gericht in den Beihilfe- und Marktmissbrauchsfällen der vergangenen Jahren gezeigt, dass es der EU-Kommission gegenüber ausgesprochen kritisch sein kann. In den Rechtssachen von Intel und Qualcomm rügte das Gericht die Arbeitsweise der Wettbewerbshüter und gab den Klagen der Unternehmen recht. Im Fall der Vorwürfe aggressiver Steuervermeidung von Apple in Irland hob das Gericht die 14 Mrd. Euro schwere Strafe gegen den Technologiekonzern auf und ließ kaum ein gutes Haar am Brüsseler Entscheid. Google hingegen hatte nun kein Glück. Die Strafe wegen wettbewerbsbehindernder Vertragsvereinbarungen mit Herstellern von Mobilgeräten wurde vom EuG weitgehend bestätigt.