Aktivistische Aktionäre verstärken den Druck
Von Matthias Horbach und
Holger Hofmeister *)
Trotz heftigen Gegenwinds der Märkte haben sich aktivistische Aktionäre im vergangenen Jahr erstaunlich motiviert gezeigt. In diesem Jahr dürften sie einer neuen Studie zufolge den Druck auf Unternehmen weiter erhöhen. Es wird für Unternehmen wichtig sein, die Bereiche zu identifizieren, auf die sich die Angriffe möglicherweise konzentrieren, Reaktionen und Argumente vorzubereiten, dabei ESG-Themen zu beachten und den Dialog mit Ankeraktionären und Multiplikatoren zu suchen.
Mit dem Abklingen der Pandemie sind Zahl und Intensität von Kampagnen und Forderungen aktivistischer Aktionäre vor allem gegen große Unternehmen schon 2022 europaweit wieder gestiegen. Im neuen Jahr werden Hedgefonds, aber auch neue Akteure die verbreitete post-pandemische Neuausrichtung und die anhaltenden Krisenszenarien nutzen, weiter Druck auf europäische Unternehmen auszuüben und diesen zu verstärken. Zu diesen Ergebnissen kommt eine neue Studie des britischen Informationsdienstleisters Activistmonitor auf Basis von eigenen Daten sowie Interviews mit 35 Entscheidern von börsennotierten Unternehmen und 15 aktivistischen Aktionären aus fünf europäischen Staaten im vierten Quartal 2022.
Die Zahlen sprechen für sich: Von den europaweit insgesamt 341 öffentlichen Aktivistenkampagnen im vergangenen Jahr – 18% mehr als im Jahr zuvor – dauern 52 noch an (plus 33% gegenüber 2021). Die häufigsten der insgesamt 125 Forderungen dieser Kampagnen zielten auf einen Wechsel in der Geschäftsleitung (26, plus 53%), die Ablehnung einer geplanten Übernahme oder Fusion (23, plus 283%) oder auf Kostenreduzierungen und operative Verbesserungen (18, plus 260%).
Für dieses Jahr erwarten 71% der befragten Führungskräfte eine weitere, teils deutliche Zunahme von Aktionärsaktivismus. Die jüngste Meldung über den Einstieg neuer Investoren bei Bayer ist nur ein Beispiel. Auch die Zahl und Vielfalt der Aktivisten wird demnach wachsen – neben Hedgefonds zeigen sich verstärkt auch neu auftretende Aktivisten sowie Private-Equity-Fonds als ebenfalls potenziell aktivistische Investoren. Dabei sind die Übergänge zwischen verschiedenen Aktionsgruppen fließend.
Aktivistische Aktionäre scheuen sich nicht, Unternehmen, an denen sie Anteile halten, öffentlich zu kritisieren und, je nach Ansatz, unter Druck zu setzen. Eine Mehrzahl der befragten Unternehmen fürchtet, Ziel derartiger Aktivistenkampagnen zu werden. 86% der befragten Entscheider gaben an, Angriffspunkte in der eigenen Unternehmensaufstellung erkannt zu haben, die Aktivisten ausnutzen könnten. Fast drei Viertel der Befragten stimmten der Aussage zu, dass die Aktivisten mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Großbritannien kommen dürften – bereits im vergangenen Jahr wurden 27% der öffentlichen Kampagnen in Europa von Aktivisten mit Sitz im Vereinigten Königreich geführt.
Zudem erwarten mehr als zwei Drittel der befragten europäischen Unternehmen in diesem Jahr einen teils deutlichen Anstieg feindlicher Übernahmen, was zusätzlich Anlass für aktivistische Forderungen bieten könnte. Zugleich planen nicht weniger als zwei Drittel der befragten Aktionärsaktivisten, 2023 an drei oder vier Kampagnen teilnehmen zu wollen.
Auch erwarten so gut wie alle befragten Unternehmen, dass aktivistische Investoren Nachhaltigkeits- oder ESG-Themen aufgreifen werden – auf kurze Sicht mit Potenzial für Meinungsverschiedenheiten und Desillusionierung. Dabei erwartet eine wachsende Zahl von Entscheidern (10%), dass Aktionäre aktiv gegen ESG-Maßnahmen von Unternehmen mobil machen werden.
Wie können börsennotierte Unternehmen sich gegen solche öffentlichen Aktionärskampagnen wappnen? Nach einhelliger Ansicht der Befragten der Activistmonitor-Studie besteht die wichtigste Verteidigungstaktik in einer aktiven Einbindung von Investoren sowie Multiplikatoren, etwa Stimmrechtsvertretern, in Strategiethemen und einer effizienten Kommunikation auch mit aktivistischen Aktionären. So berichteten 69% der Entscheider, die Angriffspunkte identifiziert hatten, diese Punkte bereits mit Aktionären aufgegriffen zu haben.
Regelmäßiger Austausch
Hinzu kommt: Ob es neue Themen, neue Forderungen oder neue Akteure aus den Reihen der Aktionäre sind – die Abstimmung mit wichtigen Investoren und die Entwicklung einer geeigneten Strategie beginnt mit der Kenntnis der Aktionärsbasis und ihrer Interessen. Dazu gehört ein regelmäßiger Austausch über die Unternehmensstrategie, über aktivistische Aktionäre und deren potenzielle, häufig sehr unterschiedliche Angriffslinien und Vorgehen bis hin zur Sicherung von Unterstützung im Rahmen von Transaktionen.
Während bereits viele Unternehmen über ihre Website eine Art des Aktionärsdialogs im Zusammenhang mit der Hauptversammlung anbieten, werden Plattformen für einen breiteren und institutionalisierten Dialog bislang nur selten bereitgestellt. Diese können wichtige Einblicke geben, den Austausch stärken und Risiken reduzieren – die Aktionärsaktivisten sind wieder auf dem Vormarsch.
*) Dr. Matthias Horbach und Dr. Holger Hofmeister sind Partner von Skadden, Arps, Slate, Meagher & Flom in Frankfurt am Main.