„Appetit der Anleger nach komplexen Produkten wächst“
Herr Wöckener, Herr Sander, die Welt der Kryptowährungen entwickelt sich stetig weiter. Viele Blicke sind derzeit auf die sogenannten Krypto-ETCs gerichtet. Was ist darunter zu verstehen?
Wöckener: Der Begriff der Krypto-ETCs – häufig auch ETP oder ETN – steht für Exchange Traded Commodities, also börsengehandelte Schuldverschreibungen, die Anlegern die Partizipation an der Wertentwicklung einer oder mehrerer zugrundeliegender Kryptowährungen ermöglichen. Anders als bei einem ETF, also einem Exchange Traded Fund, erwerben Anleger hier aber keine Anteile an einem Sondervermögen, sondern eine Schuldverschreibung.
Mit welchen Folgen?
Wöckener: Der Anleger hat damit einen Rückzahlungsanspruch gegen die Emittentin – abhängig von der konkreten Ausgestaltung des ETCs in Form einer Rückzahlung in der zugrundeliegenden Kryptowährung und/oder in einer Fiat-Währung. Wesensmerkmal der ETCs ist, dass dieser Rückzahlungsanspruch durch eine mindestens einhundertprozentige Besicherung mit den zugrundeliegenden Kryptowährungen abgesichert ist und damit das Ausfallrisiko der Emittentin wesentlich verringert wird.
Warum sind Krypto-ETCs bei einigen Investorengruppen aktuell so beliebt?
Sander: Krypto-ETCs vereinen die Möglichkeit zur Partizipation an der Wertentwicklung von Kryptowährungen mit der einfachen Handelbarkeit an traditionellen Börsen, ohne dass es für Anleger notwendig wäre, sich selbst um die teils komplexe Verwahrung der Kryptowährungen kümmern zu müssen. Erste Anbieter bieten bereits Sparpläne auf Krypto-ETCs an. Privatanleger können die Krypto-ETCs daher unkompliziert wie gewöhnliche Wertpapiere über ihr Depot handeln.
Welcher Anlegertyp investiert in Krypto-ETCs?
Wöckener: Neben Depots von Privatanlegern befindet sich ein erheblicher Teil der auf dem Markt angebotenen Krypto-ETCs in den Beständen professioneller und institutioneller Investoren. Für diese bieten Krypto-ETCs, ein Listing an regulierten Börsenplätzen vorausgesetzt, eine attraktive Möglichkeit, sich und ihren Kunden ein Kryptowährungsexposure zu schaffen.
Welche Entwicklungen sehen Sie aktuell im Markt für Krypto-ETCs?
Sander: Der Markt für Krypto-ETCs ist durch starken Wettbewerb gekennzeichnet. Anleger achten dabei nicht nur auf kompetitive Gebühren. Wegen der Komplexität der Produkte und der erforderlichen Sicherheitsstandards bei der Verwahrung der zugrundeliegenden Kryptowährungen stellen sie auch bei der Auswahl der involvierten Service-Provider hohe Anforderungen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Kryptoverwahrstelle, welche für die Verwahrung und Sicherung der Kryptowährungen einsteht. Zunehmend wächst auch der Appetit der Anleger nach komplexeren Produkten.
Inwiefern?
Sander: So werden neben den klassischen Krypto-ETCs, welche den Wert einer einzigen Kryptowährung abbilden, zunehmend Produkte angeboten, die den Wert gleich mehrerer Kryptowährungen abbilden, welche statisch oder dynamisch als Korb beziehungsweise Index zusammengesetzt sind. Jüngst wurden der Produktpalette sodann Produkte hinzugefügt, die es Anlegern ermöglichen, über Ausschüttungen, Zinsen oder Kostenreduzierungen an Staking-Erlösen der Kryptowährungen zu partizipieren.
Wie schätzen Sie die künftige Entwicklung des Markts für Krypto-ETC ein?
Wöckener: Bereits im Sommer 2020 wurde der erste Krypto-ETC für den regulierten Markt in Deutschland zugelassen. Der Markt für Krypto-ETC befindet sich trotz der enorm breiten Produktpalette, welche sich in kurzer Zeit gebildet hat, noch weit abseits seines Zenits. Ein sich ständig weiterentwickelndes Ökosystem, stetig wachsendes Anlegerinteresse an dieser Anlageklasse und die Bestrebungen der Anbieter, sich diese Faktoren zunutze zu machen, werden daher auch weiter für ein rasantes Wachstum und Weiterentwicklung des Marktes für Krypto-ETC sorgen.
Der Kapitalmarktexperte Karsten Wöckener ist Partner und Daniel Sander Senior Associate von White & Case in Frankfurt.
Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.