Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses drohen Konflikte über die variable Vergütung
Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses drohen Konflikte über die variable Vergütung
Bundesarbeitsgericht spricht ausscheidendem Mitarbeiter zeitanteiligen Bonus zu
Von Johannes Kulenkampff *)
Von Johannes Kulenkampff
Bonuszahlungen sind ein integraler Bestandteil vieler Arbeitsverhältnisse. Sie dienen den Arbeitgebern als Anreiz für Mitarbeiter, ihre Leistungen zu steigern und zur Erreichung der Unternehmensziele beizutragen. Insbesondere in der Finanzbranche sind variable Vergütungsbestandteile ein eminent wichtiges Instrument, hoch qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten. Nicht selten machen sie 50 bis 70% der Zielvergütung eines Mitarbeiters aus.
Längerer Fälligkeitsturnus
Allerdings drohen bei Beendigung von Arbeitsverhältnissen Konflikte: Scheidet ein Mitarbeiter aus, hat der Arbeitgeber ökonomisch betrachtet kein Interesse mehr daran, eine variable Vergütung zahlen zu müssen. Aus Perspektive des scheidenden Mitarbeiters verschärft wird dieses Problem durch ein grundlegendes Charakteristikum variabler Vergütung: Anders als die Fixvergütung, die monatlich fällig wird, haben variable Vergütungskomponenten einen deutlich längeren Fälligkeitsturnus. Typischerweise werden Cash-Boni jahresbezogen gewährt, sogenannte Long-Term Incentives wie Aktienoptionen oder Restricted Share Units werden gar erst nach einem mehrjährigen Zeitraum fällig bzw. können ausgeübt werden. Mithin stehen im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses regelmäßig Ansprüche für einen nicht unerheblichen Bezugszeitraum in Rede.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts
Aber kann sich der Arbeitgeber etwaigen Ansprüchen auf variable Vergütung im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einfach entziehen? Ganz so einfach ist es nicht, wie jüngst das Bundesarbeitsgericht (BAG) festgestellt hat.
In seinem Urteil vom 15. November 2023 (Aktenzeichen 10 AZR 288/22) hat sich das BAG mit der Frage der Wirksamkeit einer sogenannten Stichtagsklausel beschäftigt. Der Kläger, der aufgrund einer Eigenkündigung aus dem Unternehmen der Beklagten ausgeschieden war, verlangte mit seiner Klage einen zeitanteiligen Bonus für das Fiskaljahr, in dem er ausgeschieden ist. Die Beklagte verweigerte dies. Denn sie hatte mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zum Bonussystem abgeschlossen, in der unter anderem geregelt war, dass Mitarbeiter, die während des Fiskaljahres aufgrund einer Eigenkündigung austreten, keinen Anspruch auf einen Bonus haben sollten.
Gegenleistung für Arbeitsleistung
Das BAG indes gab dem Kläger recht und sprach ihm einen zeitanteiligen Anspruch auf einen Bonus zu. Entscheidender Aspekt sei, dass es sich bei dem Bonus (jedenfalls auch) um eine Gegenleistung für Arbeitsleistung handele und der Kläger seine Leistung bereits erbracht und damit seinen Teil der Vereinbarung in Bezug auf den Bonus erfüllt habe. Das hiernach grundsätzlich geschuldete Entgelt könne nicht dadurch nachträglich entzogen werden, indem zusätzlich der Bestand des Arbeitsverhältnisses zum Ende des Fiskaljahres verlangt werde, zumal hierdurch de facto das Kündigungsrecht der Mitarbeiter unangemessen eingeschränkt werde.
Mit dieser Entscheidung bleibt das BAG seiner bisherigen Rechtsprechung zu Stichtagsregelungen treu, die in Arbeitsverträgen (oder in Bonusplänen) einseitig vom Arbeitgeber in das Arbeitsverhältnis eingeführt wurden und daher dem Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen unterworfen sind. Auch insoweit hat das Bundesarbeitsgericht in der Vergangenheit entschieden, dass Arbeitnehmer jedenfalls dann unangemessen benachteiligt werden, wenn ihnen durch solche Regelungen bereits verdientes (aber noch nicht fälliges!) Entgelt entzogen werden solle. Die Unwirksamkeit entsprechender Regelungen führt damit zu einem (zeitanteiligen) Anspruch auf einen Bonus.
Andere Situation bei Aktienoptionen
Anders hingegen beurteilt das BAG in einer anderen Entscheidung (10 AZR 351/07) die Situation im Zusammenhang mit der Gewährung von Aktienoptionen bzw. den hiermit vergleichbaren Restricted Stock Units (RSUs). Mit diesen Vergütungsinstrumenten wird seitens des gewährenden Unternehmens dem Mitarbeiter das Recht eingeräumt, ein Aktienpaket zu einem festgelegten Preis ab einem bestimmten Zeitpunkt zu verkaufen oder zu kaufen. Im Gegensatz zu Bonuszahlungen dienen diese Vergütungsinstrumente regelmäßig der längerfristigen Bindung von Mitarbeitern und werden daher unter die Bedingung gestellt, dass das Arbeitsverhältnis bis zum Ausübungszeitpunkt bzw. bis zum Ablauf der Vesting Period ungekündigt bestehen muss. Hierzu meint das BAG, dass aufgrund des spekulativen Charakters von Aktienoptionen die zu Cash-Boni entwickelten Grundsätze nicht übertragbar seien und diese Form der Bindungsklauseln daher Bestand haben könne. Zudem spreche für deren Wirksamkeit, dass im Aktienrecht eine Ausübungsfrist für Mitarbeiteroptionen von vier Jahren vorgesehen sei.
Klage kann sich lohnen
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Durchsetzung von Ansprüchen auf variable Vergütung ein komplexes Thema ist, bei dem insbesondere in Beendigungsfällen ein Interessenkonflikt programmiert scheint. Die rechtlichen Vorgaben werden häufig genug seitens der Unternehmen missachtet und die Rechtsprechung hierzu ist im Fluss. Der Klageweg kann sich für Arbeitnehmer, denen Zahlungen verweigert werden, lohnen.
*) Johannes Kulenkampff ist Partner der Kanzlei KBR Rechtsanwälte und berät Führungskräfte und Mitarbeiter unter anderem in Auseinandersetzungen wegen Boni und Long-Term Incentives.