Arun Kapoor

„Betriebsan­lei­tun­gen in Papier­form nicht mehr zeitgemäß“

Die neue Maschinenverordnung der EU führt zu zusätzlichen Kosten für die Industrie, bringt aber auch mehr Rechtssicherheit, analysiert Noerr-Partner Arun Kapoor.

„Betriebsan­lei­tun­gen in Papier­form nicht mehr zeitgemäß“

Helmut Kipp

Herr Kapoor, die Europäische Union bereitet eine neue Maschinenverordnung vor. Was wird sich ändern?

Besonders risikoreiche Maschinen müssen künftig von einem besonders qualifizierten Prüfinstitut bewertet werden, bevor sie in den Verkehr gebracht werden dürfen. Außerdem gibt es neue Sicherheitsanforderungen etwa zur Cybersicherheit und zu Maschinen mit künstlicher Intelligenz. Insgesamt wird die neue Verordnung an den aktuellen Rechts-stand des europäischen Produktrechts angepasst. Für Hersteller, EU-Importeure­ und Händler werden damit zahlreiche Verpflichtungen festgeschrieben. Zum Beispiel gibt es künftig eine behördliche Meldepflicht, wenn von einer Maschine Sicherheitsrisiken ausgehen – das gilt auch für Maschinen, die nur für den Eigengebrauch herstellt werden. Das neue Recht bringt aber auch Erleichterungen für die Hersteller: Betriebsanleitungen für Maschinen sind künftig auch in digitaler Form zulässig.

Gehören gedruckte Betriebshandbücher damit der Vergangenheit an?

Die digitale Betriebsanleitung wird zwar kommen, aber nur für be­stimmte Bereiche. Akkuschrauber, Kreissägen und andere Maschinen, die für Verbraucher bestimmt sind, müssen auch künftig mit Sicherheitsinstruktionen in Papierform ausgeliefert werden. Auch für rein gewerblich genutzte Maschinen gibt es Einschränkungen. Der Käufer einer Maschine soll künftig bis zu sechs Monate nach dem Kauf beim Hersteller kostenlos eine komplette Betriebsanleitung in Papierform anfordern können. Das wäre vertretbar, wenn nur der direkte Vertragspartner des Herstellers ein solches Recht hätte. Der aktuelle Entwurf legt allerdings nahe, dass die Frist mit dem Erwerb der Maschine durch den Endkunden beginnt. Hersteller, die über den Handel vertreiben, müssen damit rechnen, auch lange Zeit nach dem Verkauf noch Handbücher in Papierform nachreichen zu müssen.

Cybersicherheit und künstliche Intelligenz werden bei Maschinen und Anlagen immer wichtiger. Welche Anforderungen ergeben sich in diesen Punkten?

In puncto Cybersicherheit enthält die neue Maschinenverordnung er­weiterte Anforderungen an die Sicherheit und Zuverlässigkeit von Steuerungen. Für Maschinen, in die ein System künstlicher Intelligenz integriert ist, sollen neue Anforderungen solchen Sicherheitsrisiken entgegenwirken, die sich durch maschinelles Lernen ergeben können. Hier werden Regelungslücken geschlossen, die die Digitalisierung mit sich gebracht hat.

Wann sollen die Änderungen in Kraft treten?

Die Verordnung soll nach Veröffentlichung im EU-Amtsblatt noch dieses Jahr in Kraft treten. Es wird aber zeitlich gestaffelte Übergangsfristen geben, innerhalb derer Maschinen, die noch nicht alle Anforderungen erfüllen, dennoch in den Verkehr gebracht werden dürfen. Aktuell ist eine Übergangsfrist von bis zu 36 Monaten vorgesehen – für den Maschinen- und Anlagenbau keine allzu lange Zeit.

Was bedeutet die neue Verordnung für Maschinenhersteller?

Neue behördliche Meldepflichten, Aufbewahrungspflichten für Quellcodes und technische Unterlagen führen zu zusätzlichen Kostenbelastungen für die Industrie. Durch die Anpassung an das aktuelle europäische Produktrecht gewinnt der Maschinen- und Anlagenbau aber auch Rechtssicherheit, weil Widersprüche mit anderen Vorschriften beseitigt werden und für Hersteller, Einführer und Händler klarer gefasste Pflichtenkataloge gelten.

Welche Kritikpunkte gibt es?

Bei der digitalen Betriebsanleitung scheint den Gesetzgeber am Ende der Mut verlassen zu haben. Betriebsanleitungen in Papierform in einem Dutzend verschiedener Sprachen sind heute – auch für Verbraucherprodukte – nicht mehr zeitgemäß und belasten Industrie und Umwelt erheblich. Hier hätte ich mir ein klareres Bekenntnis zur Digitalisierung gewünscht. Schade ist außerdem, dass die geplante Synchronisation mit der neuen europäischen KI-Verordnung aufgegeben wurde. Es steht zu befürchten, dass dies zu inkonsistenten Anforderungen für Maschinen mit künstlicher Intelligenz führen wird.

Dr. Arun Kapoor ist Partner von Noerr in München und Experte für Produkthaftung.

Die Fragen stellte .

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