GastbeitragUrteil im Schiffscontainerskandal

BGH verschärft Haftung für Geschäftsführer

Der Bundesgerichtshof hat mit einer Entscheidung im Zusammenhang mit dem Schiffscontainerskandal das Haftungsrisiko von Geschäftsführern erheblich ausgeweitet. Das Urteil trifft aber auch Anlagevermittler.

BGH verschärft Haftung für Geschäftsführer

BGH verschärft Haftung
für Geschäftsführer deutlich

Urteil zu P+R-Schiffscontainerskandal erweitert auch Prüfungspflichten von Anlagevermittlern

Von Daniel Froesch und Oscar Weller *)

Im Fokus der Entscheidungen standen der Geschäftsführer der insolvent gegangenen Gesellschaften und der Anlagevermittler, der die P+R Container-Papiere vermittelt hatte. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Geschäftsführerhaftung sowie die Anforderungen an die Prüfungspflichten des Anlagevermittlers nun verschärft.

Hintergrund der beiden BGH-Entscheidungen waren fehlgeschlagene Direktinvestments in Schiffscontainer der P+R Gruppe, einer der größten Anlegerskandale der jüngeren Geschichte. Das Anlagemodell der P+R Gruppe bestand darin, Frachtcontainer an Anleger zu verkaufen und die Container über eine bestimmte Laufzeit gewinnbringend zu verwalten. Die Anleger sollten einen garantierten Mietzins erhalten.

Schneeballsystem

Im Jahr 2007 geriet das Anlagemodell in Schieflage und die P+R Gruppe nutzte das Geld neuer Anleger dafür, den Altanlegern ihren Mietzins auszuzahlen – ein klassisches Schneeballsystem. Dieses funktionierte bis Juli 2018, als mehrere P+R Gesellschaften Insolvenz anmeldeten und der Skandal aufflog. Der ehemalige Geschäftsführer der betroffenen P+R Vertriebsgesellschaften verstarb im Juni 2018.

Geschäftsführer haftet auch für spätere Schäden

Die Anlegerin verklagte die Alleinerbin des verstorbenen Geschäftsführers auf Schadenersatz. Die Klägerin argumentierte, dass die P+R Vertriebsgesellschaften bereits zum Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse insolvenzreif gewesen seien, was der ehemalige Geschäftsführer gewusst habe bzw. habe wissen müssen. Er müsse daher unter anderem wegen Insolvenzverschleppung haften.

Die Klägerin hatte insgesamt vier Anlageverträge mit zwei P+R Vertriebsgesellschaften geschlossen, drei vor und einen nach der Abberufung des ehemaligen Geschäftsführers. Juristisch strittig war insbesondere die Haftung bezüglich des vierten Anlagevertrags, da der Geschäftsführer zum Abschlusszeitpunkt nicht mehr im Amt gewesen war.  

In der Verantwortung

Dies spielt keine Rolle, so die Karlsruher Richterschaft in ihrer Entscheidung vom 23.7.2024 (II ZR 206/22). Ein Geschäftsführer hafte auch nach seinem Ausscheiden für einen durch die unterlassene Insolvenzantragstellung eingetretenen Schaden. Mit der Abberufung des Geschäftsführers entfällt zwar formell die Insolvenzantragspflicht, diesen kann nur der neue Geschäftsführer stellen. Wenn der ehemalige Geschäftsführer jedoch vor seinem Ausscheiden eine Gefahrenlage geschaffen hatte, die erst nach seinem Ausscheiden zum Eintritt eines Schadens geführt hat, ist ihm dieser Schaden weiterhin zuzurechnen.

Mit der Entscheidung erhöht der BGH das Haftungsrisiko von Geschäftsführern erheblich, zumal die Haftung nach der BGH-Entscheidung nicht zeitlich begrenzt ist. Die Zurechnung kann zwar unterbrochen werden, wenn sich die Gesellschaft zwischenzeitlich wieder erholt hat und die Insolvenzreife anschließend erneut eintritt; allein ein zeitlicher Abstand zwischen Abberufung und Vertragsschluss mit einem Neugläubiger reicht nicht aus.

Keine Pflichtverletzung des Anlagevermittlers im konkreten Fall

Der BGH entschied zudem zur Haftung eines Anlagevermittlers, der Kauf- und Verwalterverträge mit der P+R-Gruppe vermittelt hatte (III ZR 70/23). Dem Anlagevermittler wurde von einem Anleger, der fünf Containerinvestments gezeichnet hatte, vorgeworfen, seine Beratungspflichten verletzt zu haben, da er die Jahresabschlüsse der P+R-Gesellschaften nicht hinreichend geprüft und nicht auf die darin enthaltenen Risiken hingewiesen hätte. Die Jahresabschlüsse wurden teilweise nur mit einem eingeschränkten Bestätigungsvermerk versehen, da keine Angaben zu in der Bilanz fehlenden Geschäften beziehungsweise zum Gesamtbetrag der sonstigen finanziellen Verpflichtungen gemacht und die Gesamtbezüge der Geschäftsführer nicht angegeben wurden.

Im konkreten Fall sah der BGH keine Pflichtverletzung. Dem Anlagevermittler steht es frei, welche Erkenntnisquellen er für die Plausibilitätsprüfung der Anlage heranzieht. Die Erteilung eines eingeschränkten Bestätigungsvermerks durch den Abschlussprüfer ist nicht unabhängig von Inhalt und Begründung der Einschränkung als „red flag“ in Bezug auf die Solvenz und die Seriosität eines Unternehmens anzusehen, es besteht keine anlasslose Pflicht des Anlagevermittlers zur Durchsicht der erteilten Testate.

Die Richter stellen klar, dass ein Bestätigungsvermerk lediglich ein Befund der Rechnungslegung sei und kein „Gütesiegel“ für eine gute Unternehmenslage. Wenn dem Anlagevermittler allerdings keine ausreichenden Quellen zur Verfügung stehen oder Plausibilitätszweifel solche Punkte betreffen, die durch Einsichtnahme in die Jahresabschlüsse zu klären sind, kann im Einzelfall eine Pflicht zur Einsichtnahme in die veröffentlichen Jahresabschlüsse bestehen. Dies gilt auch dann, wenn der Anlagevermittler beim Anleger Erwartungen geweckt hat, etwa weil der Anlagevermittler selbst Wirtschaftsprüfer ist.

In Richtung Anlageberater

Zwar verneinte der BGH im konkreten Fall eine solche Pflichtverletzung, da der klagende Anleger bereits zuvor in die P+R-Containerpapiere investiert hätte, obwohl es in der Vergangenheit eingeschränkte Bestätigungsvermerke gegeben habe. Mit der Entscheidung nähert der BGH die Pflichten des Anlagevermittlers jedoch denen des Anlageberaters an, und verlangt vom Anlagevermittler eine durchaus haftungsträchtige Abwägung der Prüfungspflichten im Einzelfall.

*) Daniel Froesch ist Partner von Heuking, Oscar Weller ist Rechtsanwalt im Frankfurter Büro der Kanzlei.

Daniel Froesch ist Partner der Kanzlei Heuking am Standort Frankfurt und Co-Leiter der Praxisgruppe Prozessführung & Schiedsverfahren. Oscar Weller ist Rechtsanwalt im Frankfurter Büro von Heuking und Mitglied der Praxisgruppe Prozessführung & Schiedsverfahren.