Andreas Merkner und Friedrich Schulenburg

„Die Haupt­­ver­sammlungs­­welt wird bunter“

Virtuelle Aktionärstreffen sind nun fest im Gesetz verankert, über die Ausgestaltung der Online-HV gibt es aber noch viel Diskussionsbedarf zwischen Investoren und Unternehmen.

„Die Haupt­­ver­sammlungs­­welt wird bunter“

Herr Merkner, Herr Schulenburg, Hella hat jüngst als eines der ersten Unternehmen die Ermächtigung zur Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung in die Satzung aufgenommen. Dass die Ermächtigung für fünf Jahre vorgesehen ist, stößt bei Aktionärsschützern auf Kritik. Sollten die Unternehmen dem nachgeben und wie gefordert eher auf zwei Jahre gehen?

Merkner: Uns hat dieses Petitum überrascht. Nach der gesetzlichen Konzeption sind die Präsenz-HV und die virtuelle HV gleichwertige Formate. Insofern kann man schon die Frage stellen, ob eine Befristung der Ermächtigung überhaupt notwendig war. Aber das ist müßig. Und wenn sich in den kommenden Wochen herausstellen sollte, dass auch die professionellen Stimmrechtsberater Ermächtigungen mit fünfjähriger Laufzeit zu einem großen Teil nicht befürworten, werden die Unternehmen nicht umhinkommen, dem Rechnung zu tragen.

Ist die Investorenseite nicht zu Recht kritisch nach den Erfahrungen mit dem virtuellen Format während der Coronazeit, so dass sie verständlicherweise keinen Freibrief für fünf Jahre ausstellen will?

Schulenburg: In der Tat lassen sich einzelne Stimmen der Investorenseite zum Teil so ein, dass sie erst einmal sehen wollen, was die Gesellschaften aus dem neuen HV-Format machen, bevor sie dieses direkt für fünf Jahre freigeben. Unseres Erachtens ist das nicht nur der Coronazeit geschuldet. Anscheinend hat auch der wechselhafte Gesetzgebungsprozess für das reguläre Regime in diesem Jahr die Debatte weiter politisch aufgeladen.

Aktionärsschützer haben im Fall Hella auch bemängelt, dass die Gesellschaft keine konkreten Vorgaben in der Satzung zur Ausgestaltung der Aktionärsrechte in der virtuellen HV gibt. Reicht das Gesetz hier nicht aus?

Merkner: Das Gesetz reicht hier absolut und bietet bei der Ausgestaltung der Satzungsermächtigung auch keinen Spielraum. Dieser rechtstechnische Punkt ist daher noch weniger nachvollziehbar als die aktuelle Diskussion um die Laufzeit der Ermächtigung. Für die Präsenz-HV haben wir seit Jahren im Gesetz eine Regelung, dass die Satzung den Versammlungsleiter ermächtigen kann, das Rede- und Fragerecht der Aktionäre angemessen zu beschränken. Auf diese Regelung verweisen die neuen Regelungen für die virtuelle HV. Und was das Antragsrecht der Aktionäre angeht, besteht zwischen der Präsenz-HV und der virtuellen HV kein Unterschied. Insofern besteht also für die virtuelle HV überhaupt kein weiterer Regelungsbedarf in der Satzung.

Halten Sie es für angeraten, dass Unternehmen ihren Aktionären konkrete Zusagen zur Ausgestaltung der virtuellen HV geben?

Schulenburg: Die Kommunikation muss hier wahrscheinlich auf unterschiedlichen Ebenen stattfinden. Rein rechtlich besteht bei der Ausgestaltung der Satzungsermächtigung – wie erwähnt – kein Spielraum. Vorstellbar wäre, dass der Vorstand in der HV-Einladung eine Indikation gibt, ob er zukünftig die Vorabeinreichung von Fragen zulassen will. Aus Gründen der Flexibilität wird man auch zu einer solchen Aussage aber nicht raten können. Die Unternehmen werden daher vermutlich auf anderem Wege für das virtuelle Format werben müssen.

Lässt sich schon absehen, welches HV-Format sich durchsetzen wird?

Merkner: Eines ist sicher: Die HV-Welt wird bunter werden. Und das ist ja auch schon einmal etwas – insbesondere, wenn man bedenkt, dass die vor Jahren eingeführte Möglichkeit der Online-Teilnahme ein absoluter Flop war. Ein solches Schicksal wird die virtuelle HV sicherlich nicht erleiden. Aus der rechtlichen Perspektive gibt es im Grunde – selbst wenn man das Format der Hybrid-HV außen vor lässt – zukünftig nicht nur zwei Modelle, sondern drei: die Präsenz-HV, die virtuelle HV mit Vorabeinreichung von Fragen und die virtuelle HV ohne Vorabeinreichung von Fragen. Jedenfalls bei den großen Gesellschaften würden wir vermuten, dass sich das letztgenannte Modell über die Zeit durchsetzt, denn die im Falle der Vorabeinreichung von Fragen zwingende schriftliche Vorabbeantwortung ist vielfach einfach keine Option.

Dr. Andreas Merkner und Dr. Friedrich Schulenburg sind Partner von Glade Michel Wirtz in Düsseldorf.

Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.

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