Patentrecht

Europa erhält endlich einheitlichen Patent­schutz

Nach jahrelangem Ringen steht dem Start des Europäischen Einheitspatents nichts mehr im Wege. Erfindungen müssen dann nicht mehr in jedem Mitgliedsland angemeldet werden.

Europa erhält endlich einheitlichen Patent­schutz

Von Susan Kempe-Müller und

Pia Sophie Sösemann*)

Weltweit warten Patentnutzer seit 45 Jahren auf das Europäische Einheitspatent. Mitte 2022 soll es nun so weit sein, dass das Europäische Einheitspatentsystem starten und das Einheitliche Patentgericht seine Arbeit aufnehmen kann. Mit der Einführung des Europäischen Einheitspatentsystems kann jeder Inhaber des neuen Einheitspatents gleichzeitig Schutz in 24 Mitgliedstaaten erlangen. Das ist weltweit für alle Unternehmen und Privatpersonen relevant, die Patentschutz in Europa benötigen.

Am Montag dieser Woche hat die Bundesregierung die Ratifikationsurkunde für das Protokoll über die vorläufige Anwendung zum Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht hinterlegt. Das ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Errichtung des Einheitlichen Patentgerichts. Der Weg ist insbesondere für Deutschland lang gewesen. Es hat mehrere Wellen von Verfassungsbeschwerden gegen die Einrichtung des Einheitlichen Patentgerichts gegeben. Nach monatelanger Wartezeit hat das Bundesverfassungsgericht im Juli 2021 die letzten Eilanträge zurückgewiesen. Am 12. August 2021 ist das Gesetz endlich im Bundesgesetzblatt verkündet worden.

Bislang können Erfindungen mit einem europäischen Patent geschützt werden, das anschließend in jedem einzelnen Land für gültig erklärt werden muss. Das wird sich ändern. Nach Erteilung des europäischen Patents kann der Patentinhaber einheitlichen Schutz für 24 der 27 Mitgliedstaaten beantragen, mit der Ausnahme von Kroatien, Polen und Spanien. Kroatien ist erst nach der Unterzeichnung der Vertragswerke zum Einheitspatent der EU beigetreten und wird sich gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt dem Einheitspatentsystem anschließen. Ein Beitritt von Polen und Spanien zum Einheitspatentsystem ist zur Zeit nicht absehbar.

Die Tatsache, dass anstelle von Verfahren in mehreren Ländern nur noch eine Patentanmeldung notwendig sein wird, spart Anmeldern viel Zeit und Geld. Auch die Jahresgebühren für das Einheitspatent sind zentral an das Europäische Patentamt zu entrichten. Patentinhaber müssen so nicht mehr nationale Jahresgebühren in verschiedenen Staaten nach unterschiedlichen Gebührenordnungen zahlen.

Für die Festsetzung der Jahresgebühr wurde ein Durchschnitt der Jahresgebühren der vier Länder gebildet, in denen zum Zeitpunkt der Festsetzung im Jahr 2015 die meisten europäischen Patente validiert wurden (dies sind Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die Niederlande). Gemäß dieser Festsetzung werden die Gesamtkosten für die Aufrechterhaltung des Einheitspatents über die maximale Lebensdauer von 20 Jahren gut 35000 Euro betragen. Zum Vergleich: Momentan zahlt ein Patentinhaber für die Aufrechterhaltung seines europäischen Patents in 25 Mitgliedstaaten mehr als 160000 Euro.

Das Europäische Patentamt wird ein Register für Einheitspatente einrichten. Rechtsübergänge und Lizenzen können dann unter einem einzigen Rechtssystem vereinbart werden, statt wie bisher in zahlreichen parallelen Verfahren der einzelnen Länder.

Für die Durchsetzung oder das Angreifen von Einheitspatenten kann das Einheitliche Patentgericht angerufen werden. Es umfasst eine Zentralkammer mit Sitz in Paris und einer Abteilung in München sowie weiteren Lokal- und Regionalkammern. Das Berufungsgericht wird seinen Sitz in Luxemburg haben. Das Einheitliche Patentgericht entscheidet über das Einheitspatent in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten. Dies verschafft Patentinhabern eine höhere Rechtssicherheit. Bisher stehen Patentinhaber vor dem Problem, dass ein europäisches Patent in einem Mitgliedstaat für ungültig erklärt werden kann, während es in einem anderen Mitgliedstaat aufrechterhalten wird.

In Zukunft wird es beim Einheitspatent keine widersprüchlichen Entscheidungen mehr geben, sondern die Entscheidungen des Einheitlichen Patentgerichts werden in allen Mitgliedstaaten gleichermaßen gelten. Das Einheitliche Patentgericht wird das erste grenzüberschreitend zuständige Zivilgericht sein.

Segel für das Neue setzen

In Großbritannien wird das Einheitspatent nicht eingeführt, da Großbritannien im Juli 2020 seine Zustimmung zum Europäischen Patentübereinkommen widerrufen hat. Dies könnte die Einführung des Einheitspatensystems möglicherweise noch verzögern. Das bisherige europäische System des Patentschutzes wird auch parallel weiterhin gelten. Das heißt, alle Patentanmelder können sich dafür entscheiden, entweder wie bislang ein „klassisches“ europäisches Patent und nationale Patente zu beantragen oder das neue Einheitspatent. Das jahrelange Ringen um das Europäische Einheitspatent hat viele Beteiligte erschöpft. Für Erfinder und innovative Unternehmen aus Deutschland, die international tätig sind, ist das Einheitspatent trotzdem eine Revolution. Es gilt jetzt, die Segel für das Neue zu setzen und die Begeisterung für das Einheitspatent und das EU-Patentgericht wieder zu wecken.

*) Dr. Susan Kempe-Müller ist Partnerin, Pia Sophie Sösemann Associate der Kanzlei Latham & Watkins in Frankfurt.

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