Finanzierer müssen Gerichtsstandsklauseln in Kreditverträgen überprüfen
Finanzierer müssen
Kreditverträge überprüfen
Asymmetrische Gerichtsstandsklauseln vor dem EuGH − ein Pyrrhussieg?
Von Christian Schmitt *)
Asymmetrische Gerichtsstandsklauseln geben Kreditgebern mehr Flexibilität bei der Wahl des Gerichtsstandes für Klagen gegen den Kreditnehmer. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat diese Klauseln jetzt grundsätzlich anerkannt, aber auch konkrete Voraussetzungen für die Wirksamkeit formuliert. Finanzierer müssen darum unter Umständen in den Verträgen nachbessern, insbesondere wenn ihre Kreditnehmer außerhalb Europas sitzen.
Wahlmöglichkeit gewünscht
Asymmetrische Gerichtsstandsklauseln finden sich oft in internationalen Verträgen, insbesondere in Kreditverträgen. Hier erlauben sie dem Finanzierer, an allen Gerichtsständen zu klagen, an denen sich ein Forum begründen lässt, also eine rechtliche Verbindung zum Beklagten besteht. Dazu gehört insbesondere auch der Gerichtsstand am Sitz des Kreditnehmers, wo dieser typischerweise über Vermögenswerte verfügt.
Diese Klauseln sind bei Finanzierern beliebt, weil sie ihnen die Möglichkeit geben, das beste Forum für einen Rechtsstreit zu wählen. Beispielsweise ist es sinnvoll dort zu klagen, wo der Beklagte zum Zeitpunkt der Klageerhebung Vermögenswerte hat, in die vollstreckt werden kann.
Der Kreditnehmer dagegen muss stets am vereinbarten ausschließlichen Gerichtsstand klagen. Das hatte bereits 2021 der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Rechtsstreit zwischen den Fluggesellschaften Etihad und Air Berlin bestätigt. Offengelassen hatte der BGH hingegen, ob asymmetrische Klauseln grundsätzlich europarechtlichen Vorgaben standhalten.
EuGH: Wirksam unter bestimmten Voraussetzungen
Insbesondere die französischen Gerichte – anders als die Gerichte beispielsweise in Deutschland, England und Italien – hatten schon länger Zweifel an der Wirksamkeit von asymmetrischen Gerichtsstandsklauseln. Auf Vorlage des höchsten französischen Gerichts (Cour de Cassation) hat der EuGH diese Frage nun entschieden (Az: C‑537/23 - Lastre).
Dem Urteil zufolge sind asymmetrische Gerichtsstandsklauseln gültig - wenn sie (i) mit ausreichender Sicherheit das Gericht eines oder mehrerer EU Mitgliedstaaten oder der sog. Lugano-Staaten (Schweiz, Island und Norwegen) als Forum bestimmen, (ii) objektive Voraussetzungen enthalten, die hinreichend klar sind und das angerufene Gericht in die Lage versetzen, seine Zuständigkeit zu prüfen, und (iii) dem gewählten Gerichtsstand keine ausschließliche Gerichtszuständigkeit nach europäischen Verfahrensvorschriften entgegensteht.
„Hinreichend genau“
Damit ist den grundsätzlichen Wirksamkeitsbedenken der französischen Gerichte der Boden entzogen. Allerdings müssen asymmetrische Gerichtsstandsklauseln den Bedingungen des EuGH genügen. Dabei ist insbesondere die Voraussetzung relevant, dass die wählbaren Gerichtsstände „hinreichend genau“ bestimmt sein müssen.
Das bedeutet in der konkreten Vertragsgestaltung, dass im Geltungsbereich des EU-Rechts nicht pauschal auf sämtliche zuständige Gerichte weltweit wirksam Bezug genommen werden kann, sondern bestenfalls auf die Gerichte der EU-Mitgliedstaaten sowie der Schweiz, Islands und Norwegens.
Folgen für neue und Bestandsverträge
Aus Sicht von Finanzierern kann das gegenüber der bisherigen Praxis eine erhebliche Einschränkung bedeuten, jedenfalls dann, wenn der Kreditnehmer außerhalb Europas angesiedelt ist. So müssen sich Finanzierer künftig überlegen, welchen geographischen Fokus ihre Kredittransaktion hat und welche Möglichkeiten es gibt, die Gerichtsstandsklausel passend auszugestalten.
Eine andere Frage ist, wie man mit Gerichtsstandsklauseln in Bestandsverträgen umgeht. Wenn man davon ausgeht, dass Klauseln unwirksam sind, die den Anforderungen des EuGH nicht genügen, klafft an Stelle der Gerichtsstandsklausel eine Lücke im Vertrag.
Analyse angezeigt
In der Folge greifen die gesetzlichen Zuständigkeitsbestimmungen. Hier kann eine Analyse angezeigt sein, welche Bestimmungen dies sind. Zum Risikomanagement kann sich zudem eine Inventur der verwendeten Klauseln empfehlen. Zwar wird man nicht alle Verträge mit Gerichtsstandsklauseln neu abschließen, die den Anforderungen des EuGH nicht genügen.
Regelmäßig kommt es nur bei einer geringen Anzahl von Finanzierungen überhaupt zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung. Jedoch kann man ohnehin anstehende Vertragsänderungen oder den Abschluss von Nebenvereinbarungen zum Anlass nehmen, eine neue Gerichtsstandsklausel zu vereinbaren.
In Monitoring einbeziehen
Auch kann es Sinn machen, häufig verwendete Klauseltypen auf deren Wirksamkeit zu untersuchen. Wenn sich bei Finanzierungen mit diesen Klauseltypen schon heute Probleme abzeichnen, sollte geprüft werden, wo geklagt werden kann und ob sich Vorteile für den Finanzierer an einem oder mehreren dieser Gerichtsstände ergeben. Die Verträge sollten dann in das engere Monitoring einbezogen werden, um den Zeitpunkt der Klageerhebung nicht zu verpassen.
*) Dr. Christian Schmitt ist Rechtsanwalt und Partner bei Linklaters.