Gesetz ermöglicht Umwandlung russischer ADRs
Von Magali Kolleck-Feser *)
Ein neues Gesetz vereinfacht die Umwandlung von Hinterlegungsscheinen russischer Unternehmen in Aktien. Bis zum 12. Oktober 2022 ist es möglich, entsprechende Hinterlegungsscheine auch ohne Unterstützung von europäischen und amerikanischen Kreditinstituten durchzuführen.
Außerhalb von Russland sind russische Aktien nicht direkt handelbar. Stattdessen wurden in den vergangenen Jahren Hinterlegungsscheine – sogenannte Depository Receipts – für Aktien von der Moskauer Börse an internationalen Börsen emittiert. Diese Hinterlegungsscheine konnten genau wie europäische oder amerikanische Aktien gehandelt werden. Dadurch war es globalen Investoren möglich, in russische Unternehmen zu investieren. Je nachdem, an welcher Börse die jeweiligen Hinterlegungsscheine gehandelt werden, werden diese als ADRs (American Depository Receipts), GDRs (Global Depository Receipts) und teilweise auch als EDRs (European Depository Receipts) bezeichnet.
Anordnung der Duma
Die russische Duma hat im April 2022 angeordnet, dass russische Unternehmen ihre Depository- Receipt-Programme beenden müssen. Nur wenige Unternehmen erhielten im Anschluss eine Sondergenehmigung, um ihre Hinterlegungsscheine trotz der neuen Bestimmungen weiterhin an internationalen Börsen anzubieten. Dazu zählen unter anderem Polyus, Tatneft, Severstal, Surgutneftegas, Phos Agrom, Sistema, Novatek und Norilsk Nickel.
Andere große Unternehmen wie etwa Gazprom, Magnit, Lukoil, Mobile Telesystems, Rushydro, die LSR Group und die Federal Grid Company of Unified Energy System (FGC UES) haben eine solche Sonderbehandlung hingegen nicht beantragt. Folglich werden die ADR-Programme dieser Unternehmen in den kommenden Monaten auslaufen. Das ist teilweise sogar schon im August dieses Jahres der Fall.
Die Frist für die Umwandlung von Hinterlegungsscheinen russischer Unternehmen hängt davon ab, wann das DR-Programm des jeweiligen Unternehmens endet. Teilweise ist dies bereits im August 2022 der Fall, teilweise aber auch erst ein Jahr später. Allerdings ergibt es in jedem Fall Sinn, die Umwandlung möglichst zeitnah durchzuführen. Niemand weiß nämlich, ob der Umtausch von Hinterlegungsscheinen in einem Jahr aufgrund von neuen Sanktionen oder anderen Einflussfaktoren überhaupt noch möglich ist.
Werden Hinterlegungsscheine von russischen Unternehmen nicht rechtzeitig in Aktien umgewandelt, wird die jeweilige Hinterlegungsbank versuchen, diese Scheine zu verkaufen. Betroffene Anleger erhalten dann den jeweiligen Verkaufserlös abzüglich angefallener Kosten und Gebühren. Allerdings ist aktuell unklar, ob solche Verkäufe aufgrund von Sanktionen in Zukunft überhaupt möglich sein werden. Zudem droht selbst im Fall eines Verkaufs von nicht umgewandelten Hinterlegungsscheinen ein enormer Wert- und im schlimmsten Fall sogar der Totalverlust des eigenen Investments. Schließlich würden in diesem Fall unzählige ADRs und GDRs zum gleichen Zeitpunkt auf den Markt kommen.
Normalerweise funktioniert die Umwandlung von ADRs oder GDRs in Aktien wie folgt: Der Anleger gibt seinem Broker bzw. seiner Bank Bescheid, dass er seine Hinterlegungsscheine umwandeln möchte. Dieses Kreditinstitut wendet sich an die europäische Verwahrstelle von Hinterlegungsscheinen – Clearstream. Clearstream wiederum gibt diese Information an die russische Hinterlegungsstelle – die National Settlement Depository (NSD) – weiter. Dort werden die hinterlegten Aktien auf ein zuvor eröffnetes russisches Depot des Anlegers übertragen.
In den vergangenen Wochen hat Clearstream diesen Prozess blockiert, weil die russische NSD seit dem Inkrafttreten des sechsten EU-Sanktionspakets gegen Russland mit Sanktionen belegt wurde. Vorerst wird Clearstream betroffene Anleger nun jedoch wieder bei der Umwandlung ihrer Hinterlegungsscheine unterstützen. Das ist möglich, weil die NSD zunächst bis zum 31. Juli darauf verzichtet, Gebühren zu beziehen. Nun wurde diese Maßnahme sogar bis zum 14. August verlängert. Dadurch kann Clearstream wieder mit der NSD zusammenarbeiten, ohne gegen Sanktionen zu verstoßen.
Zwei Optionen
Russland hat jedoch in der vergangenen Woche ein Gesetz verabschiedet, das globalen Anlegern etwas mehr Zeit verschafft: So ist es bis zum 12. Oktober 2022 möglich, Hinterlegungsscheine russischer Unternehmen auch ohne Unterstützung von europäischen Banken, Brokern oder Clearstream umzutauschen. Dafür müssen betroffene Anleger lediglich einen Nachweis über den Besitz dieser Hinterlegungsscheine erbringen. Dies ist beispielsweise in Form eines Depotauszugs möglich. Für betroffene Anleger ist es aktuell also auf zwei Arten möglich, ihre ADRs und GDRs umzuwandeln. Der Knackpunkt: In beiden Fällen muss zunächst ein Aktiendepot, mit dem russische Aktien gehandelt werden können, eröffnet werden. Dies stellt für viele Investoren eine große Hürde dar.
*) Dr. Magali Kolleck-Feser ist Rechtsanwältin in der Wirtschaftskanzlei Goldenstein in Potsdam.