GastbeitragSustainability

Greenwashing im Fokus der Aufsichtsbehörden

Die Regelwerke zu nachhaltigen Finanzprodukten werden auf supranationaler und nationaler Ebene weiter ausgebaut. Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsicht ESMA startete jüngst einen neuen Vorstoß.

Greenwashing im Fokus der Aufsichtsbehörden

Greenwashing im Fokus der Aufsichtsbehörden

Marktteilnehmer bei nachhaltigen Finanzprodukten mit neuen Herausforderungen konfrontiert – Zunehmendes Maß an Compliance

Von Jan Saalfrank und Lissie Goldbach *)

Das Phänomen des sogenannten Greenwashing hat seit dem Fall der Investmenttochter einer deutschen Großbank im Jahr 2021 zunehmend mediale Aufmerksamkeit erhalten und ist in den verstärkten Fokus der Aufsichtsbehörden gerückt. Gleichzeitig hält die Nachfrage nach nachhaltigen Investments und Investmentvehikeln ungebrochen an, die den ESG-Kriterien und Regelungen der EU-Richtlinie zur Unternehmens-Nachhaltigkeitsberichtserstattung (CSRD), der EU-Verordnung über die Errichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen (Taxonomie Verordnung) und der EU-Verordnung über die Offenlegung nachhaltiger Finanzprodukte (SFDR) entsprechen. Marktteilnehmer und Finanzaufsichtsbehörden sehen sich hier mit neuen Herausforderungen konfrontiert.

Oftmals allgemeine Floskeln

Im Allgemeinen beschreibt der Begriff Greenwashing den Versuch von Finanzmarktteilnehmern, sich und den von ihnen vertriebenen Finanzprodukten ein „grünes“ bzw. „nachhaltiges“ Image zu geben, ohne entsprechende, nachhaltigkeitsorientierte Aktivitäten im operativen Geschäft tatsächlich systematisch umzusetzen oder gar messbar zu machen. Gerne tragen die Produkte dabei das Label „Nachhaltigkeit“ bereits im Namen, oftmals findet man bei genauerem Hinsehen aber lediglich allgemeine Floskeln auf wackliger Faktenbasis. Die besondere Gefahr der Täuschung von Markt und Anlegern durch diesen „Etikettenschwindel“ liegt hierbei auf der Hand. Die drei Europäischen Aufsichtsbehörden für Banken, Versicherungen und Pensionen sowie Wertpapiermärkte (die „ESAs“) beschreiben in ihren „Progress Reports“ den Begriff des Greenwashings als „eine Praxis, bei der nachhaltigkeitsbezogene Aussagen, Erklärungen, Handlungen oder Mitteilungen das zugrunde liegende Nachhaltigkeitsprofil eines Unternehmens, eines Finanzprodukts oder einer Finanzdienstleistung nicht klar und angemessen widerspiegeln“.

Unabhängig davon, ob Greenwashing-Praktiken vorgeschrieben oder freiwillig sind, unterliegen sie regulatorischen Risiken. Daraus resultierende Sanktionen können schwer imageschädigend sein. Investmentmanager und andere Markteilnehmer tun daher gut daran, frühzeitig geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um möglichen Greenwashing Vorwürfen vorzubeugen.

Dieses Problem haben auch die europäischen Aufsichtsbehörden und Unionsorgane erkannt. Im Mai 2022 bat die Europäische Kommission die ESAs (ESMA, EBA, EIOPA) um Input bezüglich möglicher Definitionen, Risiken und Präventionsstrategien, inkl. Verbesserungen der aufsichtsrechtlichen Rechtsgrundlagen. Die Antwort folgte Ende Mai 2023 in drei separaten, aufeinander abgestimmten „Progress Reports“. Diesen soll im Mai 2024 der abschließende „Final Report“ folgen, der – so ist zu hoffen – konkrete Gesetzesvorschläge enthalten wird.

Die ESMA stellt heraus, dass viele Marktteilnehmer schlicht nicht über die notwendige Nachhaltigkeitsexpertise verfügen und es an zuverlässigen Daten und Prognosen mangele. Zudem führe die sich schnell verändernde Regulierungslandschaft zu massiven Unsicherheiten und Umsetzungsproblemen. Weiter wurde bewertet, welche Bereiche der nachhaltigen Wertschöpfungskette (SIVC) stärker von Greenwashing-Risiken betroffen sind. Für Investmentmanager wurden als höchst risikoanfällig eingeschätzt: Nachhaltigkeitsthemen wie Impact Claims, Aussagen über Engagements bei Unternehmen, in die investiert wird, die ESG-Strategie des Fondsmanagers und die ESG-Nachweise (z. B. Labels, Ratings und Zertifizierungen), irreführende Fondsnamen und Behauptungen über ESG-Governance. Die häufige Verwendung des Begriffs "nachhaltig" in Fondsnamen wird als ein großes Problem angesehen, da dieser nicht speziell auf ESG beschränkt ist, sondern eher eine allgemeine Qualifikation darstellt.

Der Kommission gab der ESMA deswegen auf den Weg, die Regulierungsvorschriften weiter zu verfeinern, insbesondere ein leicht verständliches Labelling-System einzuführen und Offenlegungsvorschriften zu vereinfachen, um so Verständnis auf beiden Seiten des Marktes zu fördern.

Neuer Vorstoß

Sie wagte am 11. Juli 2023 einen erneuten Vorstoß mit einer Erklärung zu nachhaltigkeitsbezogenen Informationsanforderungen für eine europaweit einheitliche Auslegung und Handhabung.  Diese Erklärung fügt keine zusätzlichen Offenlegungspflichten hinzu, sondern bietet lediglich Klarstellungen zur geltenden Prospektverordnung. Alternative Investmentfonds, die nicht unter die Prospektverordnung fallen sind hiervon zunächst einmal nicht direkt erfasst.

Die ESMA konstatiert in ihrer Erklärung: "... ein Prospekt muss die notwendigen Informationen enthalten, die für einen Anleger wesentlich sind, um eine fundierte Bewertung vorzunehmen: (a) die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, Gewinne und Verluste, die Finanzlage und die Aussichten des Emittenten und jedes Garantiegebers; (b) die mit den Wertpapieren verbundenen Rechte; und (c) die Gründe für die Emission und ihre Auswirkungen auf den Emittenten (Hervorhebung hinzugefügt)". Nachhaltigkeitsbezogene Angaben in Prospekten werden in Erwägungsgrund 54 PR erwähnt, der der besagt, dass [...] auch ökologische, soziale und die Unternehmensführung betreffende Umstände auch spezifische und wesentliche Risiken für den Emittenten und seine Wertpapiere darstellen und in diesem Fall offengelegt werden". Am 6. Juli 2023 kündigte eine weitere Bekanntmachung der ESMA den Start einer gemeinsamen europäischen Aufsichtsaktion (CSA) an. Diese strebt die Integration von Nachhaltigkeitsrisiken und -angaben an. Dabei soll untersucht werden, wie 2024 Verwalter von Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAWs) und alternativer Investment Fonds (AIFMs) die einschlägigen Bestimmungen der SFDR, der Taxonomie-Verordnung und der einschlägigen Durchführungsmaßnahmen einhalten können.

BaFin am Drücker

Dabei werden die Leiter der nationalen Aufsichtsbehörden (NCA) die OGAWs und AIFMs auffordern, zunächst einen Fragebogen auszufüllen, der sich genauer mit den Greenwashing-Risiken befasst. Daran anschließend soll es einen zweiten Fragebogen geben, der sich mit der Integration von Nachhaltigkeitsrisiken und -faktoren in die organisatorischen Vorkehrungen der OGAW-Verwalter und AIFMs sowie mit den Transparenzangaben auf Ebene des Produkts und auf Ebene der Verwalter von OGAWs und AIFMs befasst.

Auch die BaFin zeigt zunehmendes Interesse an der Problematik. Nach der im Juli veröffentlichten „Sustainable Finance Strategie“ publizierte sie im August 2023 einen Richtlinienentwurf für nachhaltig ausgerichtete Investmentvermögen. Dabei soll zukünftig verpflichtend entweder eine Mindestinvestmentquote in Höhe von 75% eingehalten, eine nachhaltige Anlagestrategie (Best-In-Class-Ansatz) verfolgt oder ein nachhaltiger Index abgebildet werden. Auch Höchstgrenzen für beispielsweise fossile Brennstoffe werden vorgeschlagen.

Auch seitens der Luxemburger Finanzaufsichtsbehörde Commission de Surveillance du Secteur Financier (CSSF) ist ein zunehmendes Interesse an der Greenwashing-Thematik zu verzeichnen. So nahm sie eine ESMA-Bekanntmachung zum Anlass, die in Luxemburg ansässigen Verwalter von OGAW und AIFM, die in den Anwendungsbereich dieser CSA fallen, am 29. August 2023 per E-Mail zu kontaktieren.

Druck von "unten"

Aber nicht nur einseitig auf Seiten der Verwalter von OGAW und AIFM wird die Thematik Greenwashing angegangen. Auch auf Konsumentenseite ist man in Luxemburg bemüht, rund um das Thema Sustainable Finance aufzuklären. Aus Sicht des Anlegerschutzes erscheint dies konsequent und ausgewogen. Mit den Worten der CSSF-Generalsekretärin Danièle Berna-Ost: „Im Hinblick auf den Anlegerschutz werden wir die Bemühungen verstärken, die Anleger über nachhaltige Investitionen aufzuklären, insbesondere durch die Bereitstellung klarer und zugänglicher Informationen über die Bedeutung nachhaltiger Finanzen. Es gibt keinen Verbraucherschutz ohne finanzielle Bildung.“ Investmentmanager und andere Marktteilnehmer werden folglich künftig nicht nur Druck „von oben“, sondern auch von „unten“ spüren.

Über den Finalen Report hinaus, der für Mai 2024 erwartet wird, steht SFDR 2.0 sowie die geplante EU Green-Bonds-Verordnung an. Es ist zu erwarten, dass das Regelwerk zu nachhaltigen Finanzprodukten sowohl auf supranationaler als auch auf nationaler Ebene weiter ausgebaut wird. Für den Bereich der Investmentfonds bedeutet dies voraussichtlich schärfere Regelungen, sowohl auf Ebene der Verwalter als auch auf Finanzproduktebene, wobei auch bereits gelabelte Produkte (z.B. die der Art. 8 und Art. 9 SFDR) davon betroffen sein werden. Dies bringt ein zunehmendes Maß an Compliance mit sich, auf das alle betroffenen Markteilnehmer vorbereitet sein sollten.

*) Dr. Jan Saalfrank ist Partner, Lissie Goldbach ist Senior Associate im Luxemburger Büro der Kanzlei Pinsent Masons.

Dr. Jan Saalfrank ist Partner, Lissie Goldbach ist Senior Associate im Luxemburger Büro der Anwaltskanzlei Pinsent Masons.