Regulierung

Mehr Mitbestimmung und Digitalisierung für Betriebsräte

Nach dem Entwurf eines Betriebsrätestärkungsgesetzes müssen sich Unternehmen auf mehr Mitbestimmung einstellen.

Mehr Mitbestimmung und Digitalisierung für Betriebsräte

Von Timon Grau und

Marc Reuter*)

Müssen sich Unternehmen auf mehr Mitbestimmung einstellen? Das sieht jedenfalls der Entwurf eines „Betriebsrätestärkungsgesetzes“ vor, welchen das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) kurz vor dem Jahreswechsel vorgelegt hat. Neben einer Erleichterung von Betriebsratsgründungen hat die Initiative vor allem die stärkere Mitbestimmung beim Thema Digitalisierung sowie auch eine stärkere Digitalisierung der Betriebsratsarbeit selbst im Auge. Der Reformvorschlag stößt bisher bei beiden Sozialpartnern auf Kritik. Es bleibt daher abzuwarten, ob die Koalition im Superwahljahr 2021 das umstrittene Gesetz noch auf den Weg bringen wird.

Lerneffekte aus der Krise

Zu den Lerneffekten der Covid-19-Krise gehört, dass betriebliche Mitbestimmung auch virtuell funktionieren kann. Das bietet Vorteile für beide Seiten: Die Zusammenarbeit von Arbeitgeber und Betriebsrat lässt sich flexibler und effizienter gestalten, und die Arbeit der Betriebsräte wird erleichtert, wenn die interne Abstimmung nicht nur physischen Sitzungen vorbehalten ist.

Ein Kernpunkt des Entwurfs ist es daher, die wegen der Covid-19-Krise eingeführte und aktuell bis Mitte 2021 befristete Möglichkeit, Betriebsratssitzungen per Video- oder Telefonkonferenz abzuhalten, dauerhaft einzuführen. Den digitalen Betriebsratssitzungen sollen allerdings weiterhin Hürden im Weg stehen: Präsenzsitzungen sollen vorrangig bleiben, und ein Viertel der Betriebsratsmitglieder soll einer virtuellen Sitzung widersprechen können. Durch solche Einschränkungen wird die Digitalisierung der Betriebsratsarbeit lediglich halbherzig vorangetrieben, obwohl sie nicht nur in der aktuellen Situation eine wertvolle Option für die Betriebspartner ist. Selbst Gewerkschaften geht der Entwurf in puncto Digitalisierung nicht weit genug.

Mobile Arbeit

Digitalisierung spielt auch sonst eine große Rolle in dem Gesetzesentwurf: So soll mit der „Ausgestaltung von mobiler Arbeit“ ein neuer Tatbestand für die erzwingbare Mitbestimmung geschaffen werden. Damit startet das Bundesministerium für Arbeit und Soziales einen neuen Versuch, das Thema Homeoffice aufzugreifen, nachdem es seinen Entwurf zur Regelung mobiler Arbeit vom Oktober 2020 stark entschärfen musste. Zudem sollen Betriebsräte bei Regelungsbedarf über technische Einrichtungen einen automatischen Anspruch auf Hinzuziehung eines IT-Sachverständigen­ auf Kosten des Arbeitgebers haben, ohne dass es wie bisher auf die konkrete Erforderlichkeit der Hinzuziehung ankommt.

In einer umstrittenen Frage sucht das Bundesministerium für Arbeit und Soziales einen salomonischen Weg: Nicht klar ist bisher, ob den Betriebsrat im Lichte der Datenschutzgrundverordnung bei der Verarbeitung von Beschäftigtendaten auch eine eigene datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit (und damit eine potenzielle Haftung der Betriebsräte bei Datenschutzverstößen) trifft.

Nach dem Gesetzesentwurf hat der Betriebsrat bei der Verarbeitung von Beschäftigtendaten zwar den Datenschutz einzuhalten; der Arbeitgeber soll jedoch der datenschutzrechtlich Verantwortliche sein, soweit der Betriebsrat zur Erfüllung seiner Aufgaben handelt. Letzteres kann bei Datenschutzverstößen aber eigentlich nicht der Fall sein.

Vereinfachte Gründung

Laut einer in der Entwurfsbegründung zitierten Studie waren in Deutschland im Jahr 2019 nur in rund 10% der betriebsratsfähigen Betriebe Betriebsräte im Amt. Als ein weiteres Hauptziel will der Referentenentwurf daher die Gründung von Betriebsräten fördern, wie es bereits der Koalitionsvertrag als Anliegen formuliert hatte. Zu diesem Zweck soll das sogenannte vereinfachte Wahlverfahren, das für Betriebe mit bis zu 50 Beschäftigten gilt, auf Betriebe mit bis zu 100 Beschäftigten erstreckt werden.

Dieses Verfahren ermöglicht eine vergleichsweise schnelle Gründung von Betriebsräten. Außerdem soll der besondere Kündigungsschutz für Wahlbewerber künftig auch Arbeitnehmern zugute kommen, die eine Betriebsratswahl vorbereiten. Diese Vorverlagerung bietet einerseits Schutz gegen Maßregelungen durch den Arbeitgeber, eröffnet andererseits aber Gelegenheit zum Missbrauch.

Kein großer Wurf

Ein großer Wurf auf dem Weg zu einer Modernisierung der Betriebsverfassung ist das „Betriebsrätestärkungsgesetz“ nicht. Die Digitalisierung der Betriebsratsarbeit bleibt auf halber Strecke stehen, und auch über weitere Inhalte lässt sich trefflich streiten. Für eine Prognose, was davon letztlich auf die Unternehmen zukommen wird, ist es noch zu früh.

*) Dr. Timon Grau ist Partner und Dr. Marc Reuter Associate von Linklaters in Düsseldorf.